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 Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer

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Allie
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BeitragThema: Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer   Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer EmptyFr 26 Aug 2011, 10:14 pm

Denerim

Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer

Aktive Charaktere: Azoth*, Leanora, Lydia*, Miandra*, Neria*, Rowan*, (Sareth*), Vernita*

Hastig wurde die Tür aufgerissen. Ein kalter Windhauch drang vom Korridor her in den Raum ein und der helle Lichtschein einer Laterne, die an der Decke dieses Flures hing schien ebenso in das Zimmer hinein. Doch nur für einen Moment, denn schon einen Augenblick später baute sich ein drohender Schatten im Türrahmen auf, der jeden einfallenden Lichtschein sogleich verdunkelte.
„Guten Morgen, junges Gemüse! Raus mit euch aus den Federn!“ krächzte Schwester Beandricé lautstark in den Raum hinein. „Habt ihr gehört?!? Lucia! Sophia! Bewegt eure Hintern aus den Betten und macht euch bereit für das heutige Tagewerk! Los, los!“
So schnell wie sie aufgetaucht war, so schnell war die Oberschwester auch schon wieder verschwunden. Und die beiden Frauen hörten deutlich wie sie die nächste Tür aufriss und die nächsten Schwestern aus dem Schlaf schrie. Und ihr schien diese Weckaktion wirklich großen Spaß zu machen.
Lucia reckte und streckte sich ausgiebig, während sie gähnend aus dem Bett kletterte. Sie blieb einen Moment auf der Bettkante sitzen und sah verschlafen zu Leanora hinüber. „Wir sollten uns beeilen, wenn wir noch vor der Morgenandacht etwas zu essen bekommen wollen“, bemerkte sie schief grinsend, bevor sie ein weiteres Mal gähnen musste. Anschließend rieb sie sich noch einmal über die Augen und stand auf, um sich zu waschen.


Leanora stöhnte leise auf, als sie die Stimme der Oberschwester hörte. Sie rieb sich die Augen und gähnte hinter vorgehaltener Hand.
„Ein Königreich für eine Stunde mehr Schlaf... Beim Erbauer, Lucia, wie spät ist es in etwa?“
Sie seufzte noch einmal und stand trotzdem sofort leichtfüßig auf, streckte sich ausgiebig und begab sich auch zum Waschzuber, wo sie sich den Schlaf aus den Augen wusch.
Dann nahm sie ein Unterkleid nebst Robe aus ihrem Schrank und zog sich an. Am schwersten war es, ihre Haare zu bändigen. Immer wieder kringelten sich vorwitzige Löckchen aus dem Band, welches die Haare im Nacken zusammenhielt, hervor, und sie gab es schließlich auf.
Zusammen mit Lucia begab sie sich zum Speise-Saal des Ordens, Lucia lief freudig und hungrig voran. Als Leanora den Raum betrat hatte sie das Gefühl, dass sich alle Augen auf sie richteten. Sie wurde rot und senkte den Blick verlegen zu Boden. Schnell heftete sie sich an Lucias Fersen, und kurz darauf nahm sie neben dieser Platz, eine Schüssel warmen Haferbrei in der Hand, den sie hungrig löffelte.
Dabei sah sie sich leicht verstohlen um und fing ausgerechnet einen feurigen Blick Renaldos ein, der sie leicht anlächelte, was Leanora noch mehr erröten und ihren Kopf tiefer über die Schüssel sinken ließ. Alles, aber das konnte sie am frühen Morgen noch nicht gebrauchen. Sie schielte zu Lucia, und fand ihre Befürchtung bestätigt. Lucia runzelte die Stirn, ihre Augen hingen an Bruder Renaldo also entging ihr auch sein Blick nicht. Dennoch grinste sie gleich darauf und wisperte Leanora zu: „Ich hab’s dir doch gesagt!“
Leanora zog es vor, zu schweigen und nahm lieber den letzten Löffel ihres Haferbreis zu sich.
Kurz danach ging es zur Morgen-Andacht, und Leanora hatte ihre Probleme, dieser zu folgen. Lucia lächelte ihr aufmunternd zu, Leanora würde die Gesänge des Lichts sicher auch noch lernen. Obwohl Leanora wusste, dass dies nun jeden Tag auf sie zukommen würde, war sie froh, als die Messe endlich vorbei war.
Als sie aus der Kirche traten sagte sie zu Lucia: „Ich muss nun zu Bruder Castillá. Bis später meine Liebe.“
Daraufhin machte sie sich auf den Weg, und kurz danach klopfte sie an die Tür, hinter der sie den Bruder vermutete.


„Tretet ein!“ rief eine Stimme hinter der Tür, an die Leanora geklopft hatte, was diese auch gleich darauf tat. Bruder Castillá saß hinter seinem Schreibtisch und winkte die junge Frau zu sich heran. „Kommt näher und setzt Euch, Schwester Sophia. Schön Euch an diesem herrlichen Morgen zu sehen. Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Nachtruhe.“
Bevor die Angesprochene auf die Frage des Alten überhaupt hätte antworten können, sprach dieser gleich weiter, während Leanora an den Schreibtisch herantrat und sich auf einen der Besucherstühle setzte. „Ich habe gestern Abend noch mit Oberschwester Beandricé über Euch gesprochen. Sie meinte, ich sollte Euch für den Küchen- oder Putzdienst einteilen, damit Ihr das Arbeiten lernen könnt, wie sie so schön sagte. Sie ist wohl der Meinung, Ihr wäret zu nichts anderem zu gebrauchen. Allerdings denke ich nicht, dass wir Eure Vorkenntnisse, was den Umgang mit Tieren angeht, gänzlich außer Acht lassen sollten. So werde ich Euch wohl bei der Versorgung unseres Nutzviehs einsetzen und auch mit Kommandant Neranos über Euren Einsatz in den Pferdeställen der Templer sprechen. Ich bin sicher…“
Ein lautes und forderndes Klopfen an der Tür unterbrach Bruder Castillá in seinen Ausführungen. Etwas irritiert wandte er seinen Blick von Leanora ab und richtete seine Aufmerksamkeit diesem Geräusch zu.
„Hier geht es ja schlimmer zu als in einem Taubenschlag“, meinte er zu der jungen Frau gewandt, bevor seine Stimme lauter wurde. „Herein, bitte!“
Die Tür wurde geöffnet und ein etwa eins neunzig großer Mann mit blond gelockten Haaren betrat die Stube. Er trug die seidene Uniform eines Templers, an dessen Gürtel in einer Scheide ein aufwendig gearbeiteter Prunksäbel hing. Mit seinen leuchtenden, graugrünen Augen sah er erst den Alten an, bevor sein Blick zu Leanora herüber wanderte und auf ihr haften zu bleiben schien.
„Ahh, Kommandant Neranos“, begrüßte Bruder Castillá den Neuankömmling. „Wir haben gerade von Euch gesprochen. Willkommen. Und guten Morgen. Was kann ich für Euch tun?“
„Guten Morgen, Bruder Castillá. Nun, zunächst einmal könntet Ihr mich mit dieser reizenden jungen Dame bekannt machen“, erwiderte der Kommandant, wobei er ein charmantes Lächeln aufsetzte, ohne seinen Blick von Leanora abzuwenden.
„Aber natürlich, wo sind nur meine Manieren? Das ist Schwester Sophia, unser Neuzugang. Schwester Sophia, das ist Kommandant Neronas, Befehlshaber der Templer von Denerim.“
„Ja, jetzt wo Ihr es sagt, Bruder Castillá, fällt mir auch auf, dass diese bezaubernde junge Dame die Robe der Kirche trägt“
, entgegnete der Kommandant, während er nach Leanoras Hand griff und dieser einen leichten Kuss gab. „Wobei ich hinzufügen muss, dass sie Euch ausgezeichnet kleidet, Schwester Sophia, und ich überaus erfreut bin, Eure Bekanntschaft zu machen.“


Leanora hörte Bruder Castillá gespannt zu. Sie freute sich, dass er sich nicht nur auf die Oberschwester verließ sondern ihre Liebe zu den Tieren mit in seine Überlegungen einfließen ließ. Gerade, als sie hoffte, er würde eine Gesangsprobe verlangen, klopfte es an der Tür, und der Kommandant trat ein.
Sie blickte den Templer an und wurde - wieder einmal - knallrot, als er sich über ihre Hand beugte.
„Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Kommandant Neranos“, erwiderte Leanora mit melodischer Stimme, die sie gottlob wieder gefunden hatte. Kurzzeitig hatte es ihr die Sprache verschlagen, der Kommandant war eine imposante Erscheinung, sein Charisma überwältigend.
Im Prinzip ärgerte sie sich, dass sie schon wieder rot wurde, nur weil ihr ein attraktiver Mann einen charmanten Blick zuwarf. Zu Hause waren solche Blicke keine Seltenheit, aber dort hatte sie die Sicherheit, die ihr hier fehlte. Dort war es kein Problem, mit einer höflichen und charmanten Antwort dem eventuellen Verehrer von vornherein in die Schranken zu weisen. Und als Schwester Sophia war sie noch mal in einer anderen Situation. Renaldo, der ihr feurige Blicke zuwarf, und kein Geheimnis aus seiner Absicht machte - nämlich sie in sein Gemach zu kriegen, und im absoluten Gegensatz der Kommandant, der sie mit seinen vollendeten Manieren ein klein wenig an Tjark von Talisker erinnerte. Aber unter dem Schutzmantel der Kirchenrobe war es absolut unmöglich, auch nur ansatzweise Interesse an einem Mann zu zeigen. Auch wenn man sich diesem Templer kaum entziehen konnte. Die Frauen mussten wahrscheinlich scharenweise um seine Gunst anstehen, bei dieser Ausstrahlung.
Leanora hatte das Gefühl, dass der Raum plötzlich viel zu klein, und die Luft mit Hochspannung angereichert war. Ihr Blick versank in dem des Templers.


„Die Ehre, besser gesagt, die Freude liegt ganz auf meiner Seite“, entgegnete Neranos nach wie vor lächelnd, während er sich ebenfalls im Blick Leanoras verlor. „Aber verzeiht mir bitte. Es ist ungebührlich von mir, eine Schwester der Kirche auf eine solch schamlose Art und Weise meine Aufwartung zu machen. Ich hoffe doch, Ihr vergebt einem armen Wicht wie mir diese unwürdige Dreistigkeit mit der ich Euch angesprochen habe, Schwester Sophia.“
Der Kommandant legte die Arme an seinen Körper an und verbeugte sich vor Leanora. Als er sich wieder erhob und sich ihre Blicke erneut trafen, lächelte er sie wieder charmant und ein wenig vorwitzig an. Offenbar hatte es ihm gefallen, dass die junge Frau durch sein Verhalten rot geworden war.
Bruder Castillá räusperte sich laut, nachdem sich die beiden einen Moment lang schweigend in die Augen gesehen hatten, wodurch diese sich leicht erschraken, da ihnen für diesen kurzen Augenblick gar nicht mehr bewusst gewesen war, dass sie sich nicht allein in dieser Stube aufhielten.
„Ich vermute, Ihr seid nicht wegen Schwester Sophia hierher zu mir gekommen, oder etwa doch, Kommandant?“ meinte der Alte, wobei der den Templer mit einem gespielten, strafenden Blick bedachte. Nur sein Lächeln verriet, dass er es nicht wirklich ernst meinte. „Denn das würde so gar nicht zu Euch passen, mein Freund.“
„Natürlich nicht, Bruder Castillá“, antwortete Neranos schnell, wobei er sich zum ersten Mal von der jungen Frau abwandte. Er grinste den Alten verschmitzt an, bevor er wieder ernst wurde und mit fester Stimme weitersprach. „Ich bin hier, um Euch darüber in Kenntnis zu setzen, dass morgen früh ein hoher Würdenträger der Kirche nach Denerim kommen wird. Und ich möchte Euch darum bitten, dieser ehrwürdigen Person ein Quartier zu besorgen und sich auch ansonsten um alle seine Bedürfnisse zu kümmern.“
„Selbstverständlich tue ich das. Das ist ein Teil meiner Aufgaben. Aber verratet Ihr mir auch, um wen es sich dabei handelt?“
„Gewiss doch. Es handelt sich bei diesem Mann um den Inquisitor Gromschlag, der angeblich in unsere schöne Stadt kommt, um einer gefährlichen Blutmagierin das Handwerk zu legen, die sich seit kurzem hier aufhalten soll.“
„Das hört sich sehr beunruhigend an“, erwiderte der Alte, wobei er sich nachdenklich an seinem Spitzbart zog.
„In der Tat. Aber ich denke, dass wir mit Inquisitor Gromschlags Hilfe die Angelegenheit schnell geklärt haben werden. Nur leider habe ich, wie ich bereits sagte, kein angemessenes Quartier für so ein hohe Persönlichkeit. Lediglich seinen Männer kann ich in unserer Kaserne eine Unterkunft bieten.“
„Macht Euch darüber keine Sorgen, Kommandant. Ich werde mich um alles nötige kümmern.“
„Danke, Bruder Castillá“, bemerkte Neranos noch erleichtert, wobei er ein leichte Verbeugung andeutete. Anschließend wandte er sich wieder Leanora zu, vor der er sich ebenfalls verbeugte. „Ich empfehle mich und darf noch einmal anmerken, wie erfreut ich darüber bin, Eure Bekanntschaft gemacht haben zu dürfen. Sollte es Eure Zeit erlauben, Schwester Sophia und sollte Euer Verstand ebenso scharf sein wie Eure Schönheit atemberaubend ist, so würde ich es sehr begrüßen, Euch in meine private Bibliothek zu einem guten Buch und einer heißen Tasse Tee einladen zu dürfen. Selbstverständlich nur zu einem rein freundschaftlichen Gespräch versteht sich.“
Bei seinen letzten Worten warf der Templer Bruder Castillá einen flüchtigen Blick zu, der diesen nur wohl wissend und auch etwas väterlich anlächelte.


Diese Augen! Sie hätte darin auf ewig versinken können, Kommandant Neranos strahlte eine Ruhe aus, die sie magnetisch anzog. Sie hatte das Gefühl, allein sein Händedruck würde ausreichen, um sie vor allen Gefahren zu beschützen. Es war, als hätte jemand die Zeit angehalten, und erst Bruder Castillás Worte rissen sie zurück in die Wirklichkeit, und sie hörte die Entschuldigung des Kommandanten. Wofür entschuldigte er sich nur? Bedauerte er es, dass sie eine Laienschwester und somit unerreichbar für ihn war?
„Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, Kommandant. Ihr konntet es ja nicht wissen, dass ich vor kurzem den Entschluss fasste, mein Leben dem Erbauer zu widmen.“
Sie war heilfroh, dass sie saß, denn ihre Knie fühlten sich zittrig an. Lea versuchte, ihre Nervosität unter Kontrolle zu bringen, als sie vernahm, dass ein Inquisitor unterwegs war, um einer Magierin das Handwerk zu legen. Es kostete sie alle Kraft, nicht bleich zu werden und wie von Taranteln gestochen, aufzuspringen um ihre Gefährten zu warnen. Es konnte sich im Prinzip fast nur um Neria handeln, welche gesucht wurde. Schließlich war sie erst seit kurzem in der Stadt, und dass diese Blutmagie anwandte, hatte sie ja selber miterlebt, als sie die Verletzten damit geheilt hatte.
Wäre eine andere Magierin in dieser Stadt, hätten Rowan oder Vernita das sicherlich vernommen. Sie musste die Gefährten warnen!
Ihre Gedanken überschlugen sich. Bruder Castillá wollte den Inquisitor hier unterbringen? Würde sie eine Möglichkeit haben, das ganze unblutig zu beenden? Die Pastillen fielen ihr ein. Rot und Grün zusammen wirkten absolut tödlich, nicht nachweisbar. Beide in das Getränk des Inquisitors gemischt und zumindest wäre das Problem, zumindest vorerst, gelöst. Aber würde sie dadurch nicht erst recht ihre Gruppe in Gefahr bringen?
Sie erschrak beinahe, als sich der Kommandant wieder an sie wandte, überspielte das jedoch mit einem strahlenden Lächeln.
„Dieser Einladung würde ich gerne Folge leisten, sofern es Bruder Castillá und mein Zeitplan erlauben, Kommandant.“ Fragend blickte sie den Kirchenvorsteher an, nicht wissend, dass ein beinahe flehender Ausdruck in ihren Augen lag.


„Das lässt sich sicher einrichten, doch nur unter einer Bedingung“, erwiderte Bruder Castillá, wobei er mahnend den rechten Zeigefinger hob. Sowohl Leanora als auch Neranos sahen den Alten fragend und etwas nervös an, als dieser eine längere Pause einlegte, in der er die beiden nur eindringlich ansah.
„Und die wäre?“ fragte der Templer nach einem endlos wirkenden Moment der Stille.
„Nun, Schwester Sophia hat mir erzählt, dass sie einige Erfahrung mit Tieren, insbesondere mit Pferden, hat“, meinte Bruder Castillá mit einem einnehmenden Lächeln auf den Lippen. „Ich habe sie bereits mit der Versorgung der Nutztiere unserer Kirche betraut, doch nur Ihr könnt der Schwester erlauben, sich auch um die Pferde Eurer Männer zu kümmern, Kommandant. Es scheint ihr viel zu bedeuten und für die Brüder und Schwestern dieser Kirche, die ich als meine Kinder betrachte, tue ich fast alles.“
Der Templer atmete innerlich erleichtert auf. Das war ja geradezu ein Lappalie. Der Mann hatte allerhöchsten Respekt vor Bruder Castillá und schon befürchtet, dass dieser wer weiß was fordern würde. „Ja, da wird sich bestimmt was machen lassen. Ich rede nachher mit meinem Stallburschen, ob er noch Unterstützung gebrauchen kann. Aber im Grunde sehe ich da kein Problem.“
„Das höre ich gerne. Aber wenn Ihr uns jetzt entschuldigen würdet, Kommandant. Schwester Sophia und ich haben noch paar Kleinigkeiten zu besprechen. Und außerdem muss ich mich anschließend noch um die Unterbringung des Inquisitors kümmern. Einen schönen Tag noch.“

„Ja sicher, Bruder Castillá. Wie Ihr wünscht“, erwiderte Neranos, wobei er sich noch einmal vor den beiden verbeugte. „Ich werde sofort mit meinem Stallburschen sprechen und Euch über seine Aussage in Kenntnis setzen. Ich ziehe mich jetzt zurück. Bruder Castillá, Schwester Sophia, ich wünsche Euch beiden einen angenehmen Tag.“
Der Templer lächelte Leanora noch einmal an, wobei er ihr erneut ein letztes Mal tief in die Augen sah, bevor er sich umwandte und erhobenen Hauptes die Stube verließ, so wie es sich für einen Kommandanten der Templer gehörte. Nachdem er den Raum verlassen hatte, lehnte sich der Alte weit über seinen Tisch, während er der blonden Frau mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen eindringlich in die Augen blickte.
„Der Kommandant hat ganz offensichtlich Gefallen an Euch gefunden, Schwester Sophia“, meinte er mit einem etwas fordernden Unterton. „Das habe ich bei ihm noch nie in dieser Form erlebt. Es hat Euch geholfen, den Posten in den Pferdeställen der Templer zu bekommen, aber ich hoffe, Ihr werdet diesen Umstand nicht ausnutzen, um dem guten Neranos irgendwelchen Schaden zuzufügen. Er ist für mich so etwas wie ein Sohn, und ich würde es nur sehr ungern sehen, wenn ihn jemand verletzen würde. Ich schätze, wir verstehen uns, oder?“


Leanora strahlte über beide Ohren, es hörte sich tatsächlich so an als würde sie künftig in den Pferdeställen arbeiten dürfen. Auch wenn sie den Templer sehr sympathisch fand und sich dieses Knistern nicht erklären konnte, welches sie spürte, wenn er sie ansah, hatte sie sicher keine unkeuschen Gedanken dabei. In ihr stand immer noch ihre innere Überzeugung, dass sie sich nur demjenigen hingeben würde, der einst ihr Gemahl sein würde. Sollte sie ihre Jungfräulichkeit Renaldo opfern müssen, um an Informationen zu kommen, würde sie Nerias Pillen zu Hilfe nehmen. Aber sie hoffte immer noch, rein durch ihre Ausstrahlung und Andeutungen dem Bruder die benötigten Informationen entlocken zu können.
So konnte sie Bruder Castillá ehrlich in die Augen blicken, als sie ihm antwortete.
„Habt keine Sorge, Bruder Castillá. Ich bin selber viel zu sehr verletzt worden um einem ehrlichen Menschen, wie es der Kommandant ist, schaden zu wollen. Und solltet Ihr an etwas anderes denken, so kann ich Euch beruhigen. Ich hege keinerlei unkeuschen Gedanken. Ob ich in den Ställen arbeiten kann, müssen wir abwarten. Aber freuen würde es mich natürlich sehr.“
Ein Leuchten trat in ihre Augen, als sie an all die wunderbaren Pferde dachte, die sie versorgen dürfte.


„Das freut mich zu hören, Schwester Sophia“
, entgegnete Bruder Castillá sichtlich zufrieden. „Und sicher wird der Kommandant Euch diesen Posten in seinen Pferdeställen besorgen. Ich kenne ihn lange genug, um zu erkennen, dass er hochmotiviert ist, um Euch in seiner Nähe zu wissen. Ihr werdet schon sehen.“
Der Alte lehnte sich zurück, bevor er nüchtern aber auch mit einem Schwung Bedauern in seiner Stimme fortfuhr. „Ich denke, wenn Ihr im Moment keine weiteren Fragen habt, sollten wir unser Gespräch für heute beenden. Ich hätte gern noch eine Kostprobe Eurer Gesangsstimme gehört, aber wie Ihr ja gerade gehört habt, wird mein Tag heute wohl um einiges arbeitsintensiver, als ich es ursprünglich geplant habe. Es gibt für die Ankunft dieses Inquisitors noch einiges vorzubereiten. So werde ich wohl jetzt nach Schwester Beandricé läuten, die Euch dann zu unseren Tiergehegen führen wird. Sobald ich eine Nachricht von Kommandant Neranos erhalte, gebe ich Euch Bescheid. Möchtet Ihr noch etwas wissen, bevor ich Euch nun entlasse?“


„Nein, vielen Dank, Bruder Castillá“, antwortete Leanora.
Kurz darauf erschien die Oberschwester, und Leanora hatte das Gefühl, dass diese noch mürrischer dreinblickte als je zuvor. Beandricé musterte Leanora von oben bis unten, bevor sie meinte: „Wie habt Ihr das denn angestellt? Euren zarten Händchen würde ein wenig Boden schrubben sicher nicht schaden. Aber anscheinend hält der Erbauer eine schützende Hand über Euch. Folgt mir!“
Kurz darauf betraten sie die Gehege. Hennen gackerten aufgeregt, Truthähne stolzierten herum, Schweine suhlten sich und grunzten.
Beandricé deutete mal hierhin, mal dorthin und auf Leanora hagelten die Befehle nur so ein.
„In zwei Stunden gibt es Mittagessen, danach eine weitere Andacht. Dann habt Ihr den Rest des Nachmittages Zeit, den Rest zu erledigen. Und wehe ich sehe heute Abend auch nur einen schmutzigen Halm in den Ställen!“
Hämisch grinste die Oberschwester, bevor sie sich schwungvoll umdrehte und davon eilte.
Kaum war diese außer Sichtweite, murmelte Leanora: „Alte Spinatwachtel. Dir würde ein Mann sicherlich gut tun...“ aber dann machte sie sich an die Arbeit. Zuerst sammelte sie die Eier der Hennen ein, welche sie in die Küche brachte, wo sie mit einem allgemeinen „Hallo“ freundlich aufgenommen wurde. Danach machte sie sich an die weiteren Arbeiten, die ihr aufgetragen wurden. Die Stallungen auszumisten verschob sie auf den Nachmittag, das würde fürs Erste zu viel Zeit beanspruchen. So entschied sie sich die Tiere zu füttern, und summte dabei eine fröhliche Weise vor sich hin. Sie ertappte sich dabei, dass ihre Gedanken immer öfter an den Kommandanten wanderten, und die schmerzhaften Gefühle, die sie für Tjark empfand, leichter wurden, ja sogar ein wenig verblassten. Sehr schnell verging die Zeit, und es ertönte der Gong, welcher zum Mittagessen rief.
Leanora wusch sich die Hände und das Gesicht, und machte sich dann auf den Weg in den Speisesaal, wo sie wieder neben Schwester Lucia Platz nahm und diese freundlich anlächelte.


„Hallo, Sophia“, lachte Lucia die blonde Frau an, als diese sich neben sie setzte. „Schön dich zu sehen. Hattest du bisher einen schönen Tag? Ich hoffe doch.“
Sie löffelte weiter von ihrer Suppe, während sie kurz mit dem Kopf nach rechts nickte, um Leanoras Aufmerksamkeit in diese Richtung zu lenken, wobei sie die Frau schelmisch angrinste.
„Sieh mal, wer da wieder ein Auge auf dich wirft“, meinte die Schwester vorwitzig, während sie für einen Moment zu Bruder Renaldo rüberschielte, der Leanora ganz unverhohlen anstarrte und dabei dreckig grinste. „Ich glaube, ich fange langsam an, dich zu hassen.“
Auch wenn ihre Stimme todernst klang, so verriet Lucias Grinsen der blonden Frau, dass diese ihre letzte Äußerung nicht wirklich ernst gemeint hatte.



Leanora stöhnte innerlich auf. Nicht der schon wieder! Es gab genug hübsche Schwestern hier, er musste nicht unbedingt so sichtbar auf sie starren. Am Ende zog sie sich zwar nicht den Hass von Lucia zu, aber vielleicht von der einen oder anderen Schwester, die ein Auge auf Renaldo geworfen hatte.
„Bei Andraste, Lucia! Du weißt doch dass er mir einfach zu aufdringlich ist. Es ist zwar ein ausnehmend gutaussehender Mann, aber seine Art stört mich gewaltig.“
Dennoch kam sie nicht umhin, zu ihm zu blicken, woraufhin sein Grinsen noch breiter wurde. Leanora vergaß sogar, rot zu werden, so verärgert war sie über diesen Mann. Ernst starrte sie ihm in die Augen, bis ihr einfiel, dass sie sich diesen Vorteil nicht verscherzen durfte, und so nahm ihr Gesicht wieder freundlichere Züge an und sie schaffte es sogar, ihm zaghaft zuzulächeln.
Danach wandte sie sich aber sofort wieder an Lucia.
„Ja, mein Tag war recht angenehm bisher. Ich darf mich zum Glück um das Nutzvieh kümmern, nach der Mittagsmesse muss ich die Ställe ausmisten, aber das macht mir nichts aus. Sag mal, hast du den Kommandanten der Templer schon gesehen? Der platzte in Bruder Castillás Stube, als ich bei ihm war. Was für ein Mann!“ seufzte sie, und ihr Blick richtete sich für einen Moment verträumt auf die Wand gegenüber. Leise wispernd fuhr sie fort: „Angeblich trifft morgen ein Inquisitor ein, namens Gromschlag. Hast du von dem schon gehört? Muss ja ein mächtig hohes Tier sein, Kommandant Neranos war ganz aus dem Häuschen, weil er meinte, er könnte ihm keine angemessene Unterkunft bieten.“
Sie nahm sich ein Stück Brot und zerkrümelte es in ihrer Suppe, bevor sie das ganze dann genussvoll aß.


„Vielleicht bist du auch einfach nur zu anspruchsvoll“, feixte Lucia mit Leanora. „Ich wünschte, Bruder Renaldo wäre zu mir mal ein wenig aufdringlicher. Dem würde ich schon zeigen, wozu eine Frau wie ich alles imstande ist.“
Die Schwester lachte kurz auf, bevor sie den Ausführungen ihrer Zimmergenossin weiter lauschte. „Aha, verstehe. Daher also dein Desinteresse an unserem guten Bruder Renaldo. Du schwebst schon in höheren Regionen, wie? Ich finde ja auch, dass der Kommandant der Templer ein süßer Kerl ist, aber ich habe noch nie erlebt, dass er sich für eine der Schwestern interessieren würde, warum sollte er also bei dir…“ Sie stockte kurz, bevor sie aufgeregt weiter sprach. „Oder hat er dir etwa schon den Hof gemacht? Komm, erzähl mir alles. Jede Kleinigkeit will ich wissen. Du bist mir aber ein ganz schön schlimmer Finger, Sophia. Mir spielst du die Unschuld vom Lande vor und bändelst dann hier hintenrum reihenweise mit den Männern an. Diese Unschuldsmasche scheint ja wirklich gut zu funktionieren.“
Lucia lachte Leanora schelmisch an, bevor sie sich wieder über ihren Teller hermachte. Als diese dann den Inquisitor erwähnte, verschluckte sie sich an ihrer Suppe, was in einem heftigen Hustenanfall ausartete, der ihr Gesicht rot anlaufen ließ. Erst nachdem ihr Leanora ein paar Mal kräftig auf den Rücken geschlagen hatte, konnte sie sich wieder etwas beruhigen.
„Meinst du wirklich Gromschlag, den Inquisitor? Bist du ganz sicher?“ fragte Lucia mit leicht krächzender Stimme, räusperte sich einmal, bevor sie wieder normal weiter sprechen konnte, was sie auch im Flüsterton tat. „Gromschlag ist ein Zwerg, der seltsamerweise für die Kirche arbeitet und über keinerlei Bartwuchs verfügt. Er wird deshalb auch hinter vorgehaltener Hand ‚der Bartlose‘ genannt. Ich bin ihm zwar noch nie begegnet, aber was ich bisher über ihn gehört habe, jagt mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Er soll ein ganz brutaler Kerl sein, der abtrünnige Magier und andere Ketzer mit unbarmherziger Härte verfolgt und hinrichten lässt. Falls er sie nicht vorher schon selbst erschlägt. Er soll dabei auch nicht davor zurückschrecken, seine eigenen Männer zu opfern, um sein Ziel zu erreichen. Und ich habe auch schon davon gehört, dass er andere Templer hat exekutieren lassen, die seine Befehle auch nur ein kleinster Weise in Frage gestellt haben. Wenn er wirklich hierher kommt, dann könnte das für jeden von uns sehr unangenehm enden, da ihm eine kleine Schwester wie du oder ich sicher nichts bedeuten mag. Ich hoffe nur, dass er nie zu uns ins Kuratorium kommt, wo ich arbeite.“


Leanora hatte während Lucias Ausführungen ihre Mahlzeit beendet. Deswegen konnte sie ihr auch antworten, als diese sie mit Fragen löcherte.
„Der Kommandant und mir den Hof machen? Wo denkst du hin, Lucia. Bruder Castillá hat ihn gefragt, ob ich die Pferde der Templer versorgen dürfte, und Neranos hat gemeint, er fragt seinen Stallburschen, ob er noch Hilfe brauchen kann. Ach, das wäre was… zu Hause war ich mehr in den Pferdeställen als sonst wo. Ich vermisse die Arbeit mit diesen Tieren wirklich. Und um deine Frage zu beantworten: Ich glaube nicht, dass eine Einladung zum Tee in seiner privaten Bibliothek darunter zählt, dass er mir den Hof macht. Zudem geziemt es sich einfach nicht. Ein Templer, und eine Laienschwester des Ordens. Ich finde einfach, dass man sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen kann, und er wird wohl unter der Damenwelt wählen können. Da muss er nicht im Kloster schauen.“
Leanora redete sich so in Rage, dass sie kaum bemerkte, dass sich das schon mehr nach Verteidigung anhörte, als nach einem normalen Bericht.
„Und ich bandle hier nicht an, das kannst mir glauben. Nichts liegt mir ferner als mich auf einen Kerl einzulassen. Ich bin nicht umsonst in den Orden eingetreten Lucia. Ich will einfach nur meine Ruhe haben. Was kannst du mir denn sonst über Neranos berichten?“ fragte sie jedoch gleich neugierig.
Ihre gute Laune verflog jedoch augenblicklich, als sie die Reaktion Lucias auf Gromschlags Namen sah, und sie selber wurde kreidebleich. Sie musste heute Abend unbedingt Vernita warnen, und hoffen, dass die Warnung noch früh genug ausgesprochen wurde, um Neria in Sicherheit zu bringen.
„Lucia“ wisperte sie leise. „Ich muss heute Nacht unbedingt in den Innenhof des Klosters. Eine frühere Freundin will sich dort mit mir treffen und sehen, wie es mir geht. Also wundere dich nicht, wenn ich plötzlich aufstehe, ja? Und bitte, sag es niemanden. Ich möchte nicht, dass getuschelt wird. Wirst du mir helfen?“ Gleich darauf wurde sie noch eine Spur bleicher, ihr Verstand verarbeitete wohl erst nach und nach die Informationen die sie von Lucia erhalten hatte.
„Beim Erbauer“, flüsterte sie. „Glaubst du, der Kommandant ist in Gefahr?“
Einerseits war sie sich sicher, dass Neranos den Bartlosen mit Sicherheit kannte, beziehungsweise wusste, welch Legenden sich um den Inquisitor rankten, andererseits ergriff eine eisige Hand ihr Herz. Noch einen Menschen zu verlieren, zu dem sie sich hingezogen fühlte, wäre definitiv zu viel für sie.


„Machst dir also doch Sorgen, um unseren hübschen Kommandanten, was?“ stichelte Lucia mit einem frechen Grinsen auf den Lippen. „Du bist mir schon so ein Früchtchen, Sophia. Und nein, es bedeutet gar nichts, wenn er dich zum Tee einlädt, auch wenn der Gute mich noch nie zu sich gebeten hat, und auch sonst kenne ich hier niemanden, dem diese Ehre je zuteil geworden wäre. Außer vielleicht Bruder Castillá, aber das kann man ja wohl schlecht vergleichen, oder? Musst ja einen ganz schönen Eindruck auf ihn gemacht haben.“
Das Grinsen der rothaarigen Frau wurde noch breiter, während sie die Reste ihrer Suppe vertilgte. „Und keine Sorge, ich werde schon niemandem was davon erzählen, wenn du deine ‚Freundin‘ besuchen gehst. Aber zupf ‚ihr‘ nicht gleich den ganzen schicken Schnauzbart ab, ja? Du willst doch nicht den Komman... äh deine Freundin in Verlegenheit bringen, nicht wahr? Und was ich sonst noch über dein neues Schnuckelchen weiß, erzähle ich dir heute Abend, denn jetzt müssen wir uns langsam beeilen. Gleich fängt die Mittagsmesse an. Da dürfen wir nicht fehlen. Alles was ich dir jetzt schon über ihn sagen kann, ist, dass er nichts für mich ist. Bin nicht annähernd gebildet genug, um auf einen solchen Mann Eindruck machen zu können, doch du scheinst mir in diesem Punkt etwas voraus zu haben. Also, zier dich nicht so. Greif ihn dir, solange es noch geht. Aber nun lass uns gehen. Es wird Zeit.“
Lucia stand auf und nahm ihren leeren Teller zur Hand, um diesen dem Küchenpersonal zurückzugeben.


Leanora hatte keine Gelegenheit mehr, Lucias Andeutungen zu entkräften, denn schon standen die beiden auf und brachten das Geschirr zurück, um gleich darauf in die Kirche zu laufen. Dort wisperte sie Lucia jedoch zu: „Du glaubst doch nicht, dass ich mich in der Nacht mit dem Kommandanten treffe?“
Sie war ehrlich schockiert, dass ihre Zimmernachbarin ihr das zutraute. Anscheinend wirkte sie nach außen doch anders, als sie in Wirklichkeit war. Aber es machte wenig Sinn, Lucia darüber aufzuklären, sie würde ihr ohnehin nicht glauben, oder sie erst recht aufziehen.
Der Andacht folgte sie nur halbherzig, ihre Gedanken kreisten um Neranos. Lucia erwähnte, dass sie nachts dem Kommandanten den Schnauzbart nicht abzupfen sollte. Hatte er denn einen? Sie rief sich sein Gesicht ins Gedächtnis zurück, aber ihre Erinnerung brachte ihr nur das Bild seiner wunderbaren Augen, in dessen Blick sie sich verloren hatte.
Zum Glück war sie neben Lucia, diese stupste sie leicht an, als gesungen wurde. Leanora hätte sonst den Einsatz völlig verpasst, dafür sang sie dann um so inbrünstiger mit. Lucia schenkte ihr nur ein wissendes freches Grinsen, und Leanora lächelte dankbar zurück.
Die Andacht war schneller vorbei als die Morgen-Messe, zumindest empfand Leanora das so.
Danach verabschiedete sich Lucia von ihr: „Bis heute Abend, Sophia!“ dabei blinzelte sie ihr bedeutungsvoll zu.
Leanora musste unwillkürlich grinsen. Da hatte sie schon so einen Wirbelwind als Nachbarin, und sie war froh darüber. Da nahm sie es gerne hin, dass ihr Lucia unterstellte, die Männer reihenweise um den Finger zu wickeln. Am meisten hatten sie die Worte irritiert, dass sie sich den Kommandanten angeln sollte, solange es noch ginge. Meinte sie, bevor sie ihr Gelübde ablegte? Bei Andraste, soweit sollte es doch nicht kommen. Vorher musste sie die Informationen besorgt haben und dann schleunigst von hier verschwunden sein.
Mit frischem Tatendrang widmete sie sich den Schweineställen, in denen es wirklich so aussah, wie sie hießen. Es war zwar auch eine anstrengende und nicht gerade nach Rosen duftende Arbeit, aber es machte ihr Spaß, und die Zeit verflog rasch. Dafür war sie hinterher auch wirklich zufrieden mit ihrer Arbeit. Der Unrat war auf dem Misthaufen, der Boden war mit frischer Einstreu bedeckt, die Futtertröge glänzten beinahe wie neu. ‚Schwester Beandricé dürfte nichts zu meckern haben‘, dachte sie sich.
Zuletzt fütterte sie die Tiere noch einmal und begab sich dann in ihr Zimmer, um sich den Stall-Geruch vom Körper zu waschen.
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BeitragThema: Re: Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer   Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer EmptyFr 26 Aug 2011, 10:37 pm

Es klopfte an der Tür.
„Herein!“ rief Leanora, die sich soeben zu Ende gewaschen und sich nur schnell eine neue Robe übergeworfen hatte. Die Tür wurde daraufhin geöffnet und ein junger, braunhaariger Mann trat ein, dessen Kleidung aus feinen, blauen Zwirn gefertigt worden war. Er ging auf die blonde Frau zu und verneigte sich.
„Ihr seid sicher Schwester Sophia“, verkündete der Mann mit überschwänglicher Stimme. „Schwester Beandricé hat mir gesagt, dass ich Euch hier finden kann. Mein Herr, Kommandant Neranos von der Templergarnison von Denerim schickt mich zu Euch, um Euch in seinem Namen demütigst zu fragen, ob Ihr ihm die Ehre erweist, heute Abend in seiner privaten Bibliothek mit ihm eine Tasse Tee zu trinken. Außerdem hat er mir aufgetragen, Euch dieses kleine Präsent zu überreichen.“
Der Diener überreichte der blondhaarigen Frau ein kleines, ledergebundenes Buch, welches sehr nobel aussah. Auf dem vorderen Umschlag war eine kleine, goldfarbene Flamme in das Leder eingeprägt, das Zeichen von Andraste. „Dieses Buch enthält den kompletten Gesang des Lichtes, unseres Herrn, des Erbauers. Mein Herr denkt, dass es Euch gerade in Eurer Anfangszeit hier in der Kirche große Dienste leisten wird. Dürfte ich nun von Euch erfahren, welche Antwort ich meinem Herren in Bezug auf seine Einladung überbringen darf, werte Dame?“


Leanora war sprachlos. Die gewählte Ausdrucksweise des Jünglings hatte sie schon überrumpelt, und der Wortlaut erst recht. Dann dieses kostbare Buch in ihren Händen... sie konnte es kaum glauben.
Sie hatte eine verlegene Röte im Gesicht, als sie relativ stotternd antwortete: „Ich… aber… Bruder Castillá… heute schon?“
Dann riss sie sich zusammen, was mochte der Bote nur von ihr denken, wenn sie keinen zusammenhängenden Satz hervorbrachte? Tief holte sie Luft und begann noch einmal.
„Entschuldigt. Das war gerade ein wenig überraschend für mich. Ich werde Bruder Castillá fragen müssen, ob ich dem Abendbrot fern bleiben darf, und auch wie das mit der Abend-Andacht dann geregelt ist. Aber wenn ich von ihm die Erlaubnis erhalte, dürft Ihr Kommandant Neranos melden, dass ich mich sehr freue, diese Einladung anzunehmen. Und sagt ihm, dass ich mich sehr über das Buch gefreut habe, es wird mir in der Tat gute Dienste leisten, gerade jetzt am Anfang.“
Sie nickte ihm freudestrahlend zu, und ihre Augen glänzten voller Erwartung.
Würde er ihr persönlich mitteilen, ob sie für die Pferde der Templer verantwortlich sein durfte? Würden sie tiefsinnige Gespräche führen, oder einfach vor Verlegenheit kein Wort herausbringen? Leanora befürchtete zumindest, dass sie selber wohl nichts sinnvolles zustande bringen würde. Wie viel sicherer würde sie sich fühlen, könnte sie ein schönes Kleid anziehen und sich zurecht machen können. Ein Blick in den Spiegel reflektierte ihre honigfarbenen Augen, die glückselig strahlten. Auch wenn sie keine festliche Robe anziehen durfte, aber ein wenig herrichten konnte sie sich wohl.
Und was Lucia dazu sagen würde, wollte sie sich erst gar nicht ausmalen. Ein breites Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.


„Bruder Castillá wurde bereits von mir in Kenntnis gesetzt, Schwester Sophia“, fuhr der Diener fort. „Und er hat keine Einwände bezüglich der Einladung meines Herren, das kann ich Euch versichern. Was Euer Abendmahl und vor allem die Abendandacht anbelangt, so hat mir mein Herr ausdrücklich aufgetragen, Euch mitzuteilen, dass Ihr seinetwegen nicht Eure täglichen Pflichten vernachlässigen sollt. Er erwartet Euch also erst nach dem Gebet in seiner Bibliothek. Er möchte nicht, dass Ihr durch seinen Wunsch, Euch wieder zu sehen, Schwierigkeiten mit der Kirchenobrigkeit bekommt. Er hofft zudem, dass seine Umsicht um Eure Stellung hier in der Kirche, es Euch leichter macht, seine Einladung anzunehmen.“


„Dann richtet Eurem Herrn aus, dass er mich nach der Andacht erwarten kann. Vielen Dank!“
„Meldet Euch bei den Torwachen, diese werden Euch dann zum Kommandanten geleiten. Auf Wiedersehen, Schwester Sophia.“ Der Bote nickte ihr zu und machte sich eilends davon.
Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, setzte sich Leanora zuerst auf ihr Bett. Ihr Herz schlug schneller, als sie für möglich gehalten hätte. War es Aufregung, Vorfreude oder Angst? Sie wusste es nicht, aber sie wusste, dass sie es kaum erwarten konnte, dass das Abendmahl und die Messe vorbei wären.
Plötzlich fiel ihr siedend heiß ein, dass sie sich heute Nacht mit Vernita treffen wollte. Was, wenn sie aber da noch beim Kommandanten war? Sie musste eine Lösung finden, um Vernita vor dem Inquisitor zu warnen, auch wenn sie selber keine Möglichkeit hätte, das Treffen wahr zu nehmen.
Natürlich! Sie hatte gestern erst einen Zettel im Baumstumpf hinterlassen, das gleiche würde sie heute auch machen. So konnte sie sicher sein, dass die Elfe die Botschaft erhielt.
Schnell setzte sie sich an den Pult und tauchte die Feder in die Tinte.

Bin heute Abend beim Kommandanten der Templer zum Tee eingeladen. Vielleicht darf ich sogar in den Stallungen der Templer arbeiten. Kommandant Neranos ist sehr zuvorkommend und nett. Vor allem hab ich über ihn erfahren, dass ein Inquisitor namens Gromschlag morgen anreisen wird - mitsamt seiner Armee, um einer gefährlichen Blutmagierin das Handwerk zu legen. Ihr werdet wissen, was zu tun ist. Ich habe noch die Pillen von unserer Gefährtin. Ich weiß, wie beide zusammen wirken. Vielleicht hätte ich eine Möglichkeit das Problem zu beseitigen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich euch damit nicht erst recht in Gefahr bringe. Zudem weiß ich nicht, ob die Möglichkeit absolut sicher ist, oder ob es an der Ausführung scheitern würde.
Ich weiß nicht, ob ich heute unser Treffen wahr nehmen kann. Wenn nicht, antwortet mir bitte, den Zettel hole ich mir ab. Grüße - L.


Schnell löschte sie die Tinte mit Sand, faltete das Blatt zusammen und versteckte es in ihrer Robe. Dann stand sie auf und suchte eine Schmuckspange aus ihrer Tasche und eine Bürste, und bearbeitete damit ihre Locken. Zuletzt steckte sie die Spange seitlich ins Haar, so dass ihr linkes Ohr frei war. Gerade als sie damit fertig war, wurde die Tür aufgerissen und der Wirbelwind Lucia kam ins Zimmer.
„Guten Abend, Lucia“, lächelte Leanora der Zimmergefährtin entgegen. „Ich habe schon befürchtet, du lässt dir das Abendessen entgehen“, zog sie die rothaarige Schwester auf. Dass sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd, war ihr jedoch nicht bewusst.


„Hallo, Sophia, meine Hübsche“ erwiderte Lucia mit einem frechen Grinsen. „Da hat aber jemand gute Laune, was? Und deine Haare hast du ja auch schon fein hergerichtet, wie ich sehe.“
Die rothaarige Frau setzt setzte sich breitbeinig auf einen der Schemel und stützte sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab, den Kopf in den Handflächen liegend. Und ihr Gesicht nahm dabei einen spitzbübischen Ausdruck an. „Anscheinend hat da heute noch jemand was vor, wie mir scheint. Los, komm schon, erzähl mir alles. Und zwar jede Kleinigkeit. Ich platzte vor Neugierde.“


Leanora lächelte leicht.
„Dir kann man ja wirklich gar nichts verheimlichen, oder? Anscheinend hattest du den siebten Sinn, als du meintest, ich sollte dem Kommandanten heute Nacht nicht den Schnauzer abzupfen. Ein Bote war vorhin hier und hat mir die Einladung überbracht, nach der Andacht in die Bibliothek zu kommen auf eine Tasse Tee und netten Gesprächen... Bei Andraste, ich bin richtiggehend nervös! Ich glaub ich krieg keinen Bissen hinunter. Und sieh nur, welch hübsches Geschenk er mir überbringen ließ!“
Leanora zeigte Lucia den Band mit den Gesängen, welche fast ehrfürchtig über das weiche Leder strich und dann völlig aus dem Häuschen war.
„Mensch Sophia, ich wusste es doch! Los, man soll das Eisen schmieden so lang es heiß ist, und keine Sorge, von mir erfährt keiner was!“ grinste sie lausbübisch. „Und nun lass uns essen gehen, Renaldo fallen sicher die Augen aus dem Kopf wenn er dich sieht.“
Leanora verzog das Gesicht und seufzte leicht auf. Das war die Kehrseite der Medaille. Sie mochte es nicht, wie dieser sie mit seinen Blicken auszog. Und ihre arrogante und hochnäsige Kühle hatte sie als Schwester Sophia nicht, außerdem konnte sie sich das nicht leisten. Sie brauchte Bruder Renaldo noch für die Informationen, die er haben konnte. Aber vielleicht würde sie auch über Kommandant Neranos das eine oder andere herausfinden können.
Lucia wusch sich Hände und Gesicht, dann brachen sie zum Essen auf. Wider erwarten knurrte Leanora der Magen dann doch, als das Aroma des Eintopfes ihre Nase erreichte. Hungrig leerte sie ihre Schale und saugte den Rest mit dem Brot auf.
Die lüsternen und anzüglichen Blicke Renaldos ignorierte sie gekonnt, indem sie sich leise mit Lucia und einer anderen Schwester unterhielt.
Danach ging es weiter zur Abend-Andacht, und Leanora war heilfroh um das Buch, welches Neranos ihr geschenkt hatte. Aber es kam ihr vor als würde die Messe schier endlos dauern, ihre Nervosität wuchs, und zuletzt hatte sie verschwitzte Hände. Deswegen ging sie noch einmal mit zurück ins Zimmer, um sich zu erfrischen, bevor sie Lucia endgültig für diesen Abend verließ.
„Viel Spaß!“ rief diese ihr zweideutig nach, und Leanora wurde rot.
„Also nicht was du schon wieder denkst!“ meinte sie und wünschte der Nachbarin eine Gute Nacht.
Sie machte einen kleinen Umweg, bevor sie zu den Behausungen der Templer ging, und versteckte den Zettel wieder im Baumstumpf. Sie schlenderte noch eine Runde durch den Innenhof, um sich ein wenig zu sammeln und die Ruhe zu genießen. Trotzdem stand sie wenige Minuten später vor der Torwache, und sie stellte sich vor.
„Guten Abend. Kommandant Neranos erwartet mich... Könntet Ihr ihm bitte sagen, dass Schwester Sophia hier ist?“ fragte sie höflich.


„Wartet bitte einen Moment“, erwiderte einer der beiden Templer, bevor er durch die Tür verschwand, die er und sein Kamerad bewachten. Dieser sah Leanora nur ausdruckslos an, während er auf die Rückkehr seines Kompagnons wartete. Und es dauerte auch eine kurze Weile, bis der Templer wieder erschien. Im Schlepptau hatte er den Diener, welcher Leanora am selben Tag Neranos Einladung überbracht hatte.
„Guten Abend, Schwester Sophia“, begrüßte der Diener Leanora überschwänglich und deutete eine Verbeugung an. „Mein Herr wird sehr erfreut sein, Euch zu sehen. Bitte habt die Güte, mir zu folgen.“
Der Mann deutete der blondhaarigen Frau mit einer einladenden Handbewegung an, ihn zu begleiten. Und so führte er sie durch den Wohn- und Übungsbereich der Templergarnison von Denerim. Direkt hinter der Tür befand sich eine große Wachstube, in der sich mehrere Templer aufhielten, die sich unterhielten oder auch Karten spielten. Militärisch betrachtet stellten diese Männer wohl die erste Verteidigungslinie dieses Bereiches dar.
Hinter der Wachstube führte ein breiter Korridor in eine große Halle, von der in alle vier Himmelsrichtungen weitere Gänge abgingen. Die Decke dieses Saales wurde durch ein prächtiges Kuppeldach bestimmt, welches aus einem Mosaikfenster bestand. Wenn tagsüber die Sonne durch dieses Fenster schien, musste der Anblick wohl atemberaubend anmuten. Am anderen Ende des Raumes stand ein großes Rednerpult aus purem Marmor, in welches die Symbole des Templerordens eingraviert worden waren. Diese Halle war offenbar der Versammlungsraum des Ordens, wo der Kommandant seinen Truppen Befehle gab und wohl auch schon mal die eine oder andere Ansprache abgehalten wurde.
Der Diener führte Leanora quer durch den Saal, welchen sie durch die gegenüberliegende Tür wieder verließen. Dahinter befand sich ein weiterer Korridor, von dem mehrere Türen abzweigten, die aber allesamt geschlossen waren. Dieser Teil des Gebäudes wirkte viel wohnlicher als der Rest, den die blondhaarige Frau bisher zu Gesicht bekommen hatte.
„Wir befinden uns momentan in den Privaträumen des Kommandanten“, erklärte der Diener beiläufig, während die beiden durch den Korridor schritten. „Die Bibliothek meines Herren liegt am Ende dieses Ganges.“
Kurz darauf erreichten sie die schwere Eichentür, an die der Diener kräftig klopfte. Ein lautes „Herein!“ veranlasste ihn dazu, diese Tür zu öffnen. Er ließ Leanora eintreten, die vor sich Neranos prachtvolle Privatbibliothek bestaunen konnte, die in romantisches Kerzenlicht getaucht wurde. Die Wände waren mit mehreren gut gefüllten Bücherregalen vollgestellt und am Ende des Zimmers stand ein mächtiger Schreibtisch, hinter dem der Kommandant auf einem hohen Stuhl saß. Rechts vom Eingang aus gesehen gab es eine kleine Sitzgruppe mit einem niedrigen Tisch dazu. Neranos stand sofort auf, als die beiden eintraten, bevor er sich ihnen näherte, wobei sein Gesicht von einem strahlenden Lächeln dominiert wurde.
„Schwester Sophia ist hier, mein Herr!“ verkündete der Diener nur pflichtbewusst.
„Ja, ich sehe es, Fassian. Bitte bringe uns jetzt den Tee und lass uns allein.“
„Sehr wohl, mein Herr.“ Der Diener verbeugte sich noch einmal, bevor er der Raum verließ und Leanora mit Neranos allein ließ. Der Kommandant trat direkt vor die blondhaarige Frau und deutete ebenfalls eine Verbeugung an, wobei sein Lächeln noch breiter zu werden schien.
„Ich hoffe, Ihr vergebt mir, wenn ich Euch sage, dass Ihr heute Abend einfach bezaubernd ausseht, Sophia. Und ich freue mich sehr darüber, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid Das Geschenk, welches Euch mein Diener gebracht hat, hat Euch hoffentlich gefallen. Ich wollte Euch damit keinesfalls beschämen. Aber was rede ich hier die ganze Zeit. Bitte nehmt Platz“, begrüßte Neranos Leanora und forderte sie mit einer Handbewegung, sich auf einem der bequemen Sessel der Sitzgruppe hinzusetzen. „Ich kenne da ein paar ausgezeichnete Bücher, die Euch sicher gefallen werden.“


Leanora war dem Diener stillschweigend gefolgt, aber ihr stand der Mund offen, als sie den glanzvollen Saal betrat. Das Kuppeldach, das schwere Rednerpult, alles vom Feinsten. Auch wenn sie gewissen Luxus gewohnt war, aber so etwas hatte sie noch nie gesehen.
Auch in der Bibliothek musste sie sich zusammenreißen, um nicht einen überraschenden Schrei los zu lassen. Es war beeindruckend, wie viele Bücher die Regale umfassten, und auch die Einrichtung war sehr geschmackvoll. War dies die Handschrift des Kommandanten selber, oder hatte er jemanden beauftragt, seine Räume zu gestalten? Letztlich war es Leanora egal, sie war schlichtweg überwältigt.
Zum Glück hatte sie ein wenig Zeit, sich zu fassen, als der Kommandant sie ansprach.
„Ich habe zu danken, Kommandant. Mit dem Geschenk habt Ihr mich nicht beschämt, sondern mich sehr erfreut! Genauso verhält es sich mit dieser Einladung. Um ehrlich zu sein war ich schon ein wenig aufgeregt.“
Sie schritt anmutig zu dem angebotenen Stuhl, setzte sich und schlug die Beine übereinander. Der Sessel war ausgesprochen bequem, auch breit genug, dass man mit Abend-Garderobe Platz gehabt hätte. Die derzeitige Mode bestach durch weite aufgebauschte Röcke, die Leanora daheim gerne zu festlichen Anlässen angezogen hatte. Stattdessen saß sie hier mit einer schlichten schmal geschnitten Robe, aus relativ groben Stoff, welche praktisch war aber sicher nicht elegant.
Sie schenkte Neranos ein strahlendes Lächeln. „Diese vielen Bücher“, meinte sie und machte eine halbkreisförmige Bewegung mit ihrem Arm, die über die Regale zeigte, „woher sind die nur alle? Habt Ihr die alle im Laufe der Zeit erworben? Ach wie gerne würde ich hier stöbern und lesen“, seufzte sie ein wenig resigniert. Stattdessen war sie als Laienschwester unterwegs und durfte Schweineställe ausmisten.
„Ich bin jedenfalls gespannt, welche Ihr mir empfehlen werdet, Kommandant.“
Sie wurde unterbrochen, als sich die Tür öffnete und Fassian mit dem Tablett zurückkam. Darauf waren kleine Gebäckstückchen zu finden, brauner Zucker, frische Sahne und eine Kanne Tee, welches er geschickt auf einem Tischchen abstellte und die Tassen befüllte.
„Wenn Ihr noch Wünsche haben solltet, dann klingelt ganz einfach.“ Damit verschwand er aus der Tür, die er leise hinter sich schloss.
„Ihr habt einen hervorragenden Diener, Kommandant. Es war sicher schwer, so hervorragendes Personal zu finden?“ fragte Leanora Neranos, und zum ersten Mal blickte sie ihm richtig in die Augen.
Und wieder fiel ihr diese Ausstrahlung auf, die sie wie ein Magnet fesselte. Ihr Blick versank in seinem.


„Es erfreut mein Herz zu hören, dass Euch mein bescheidenes Präsent gefallen hat, Sophia“, erwiderte der Kommandant lächelnd und warf lediglich ein Stück Zucker in eine der beiden Tassen. „Ich darf Euch doch Sophia nennen, oder Schwester?“
Er schaute die blondhaarige Frau für einen Moment nur schweigend in die Augen, ehe er fortfuhr. „Und was die Bücher angeht… viele habe ich von meinem Vater geerbt, ebenso wie meinen Diener könnte man sagen. Doch im Laufe der Zeit habe ich diese Sammlung Stück für Stück erweitert. Viele befassen sich mit meiner Arbeit als Kommandant der Templer, doch ich bin eben ein Büchernarr, insbesondere was die Themenkreise Kunst und Literatur betrifft. Doch ich besitze auch viele wissenschaftliche Abhandlungen. Das niedergeschriebene Wort hat mich schon immer fasziniert. Aber um Euch ein gutes Buch empfehlen zu können, solltet Ihr mir verraten, für was Ihr Euch interessiert. Da werden wir sicher etwas finden.“
Er nahm einen der Teelöffel und rührte damit sein Getränk um, während er Leanora die andere Tasse auffordernd hinüberschob. „Aber bitte probiert doch einmal den Tee. Fühlt Euch ganz wie zu Hause. Ich bin sicher, er wird Euch munden.“


Leanoras Hand zitterte leicht, als sie die Tasse entgegen nahm. Sie gab ein klein wenig Sahne hinein und zwei Stücke des Zuckers, den sie jedoch nicht umrührte, sondern die Süße erst später schmecken würde, was den Reiz dieses Tee-Rituals ausmachte. Leanora trank einen kleinen Schluck und hatte dann einen kleinen Sahne-Bart an der Oberlippe. Schnell griff sie nach einer kleinen Serviette und tupfte sich den Mund damit ab.
„Hm... er ist köstlich“, meinte sie, und schloss genussvoll die Augen. Langsam entspannte sie sich auch ein wenig, obwohl ihr Herz jedes Mal einen kleinen Purzelbaum schlug, sobald sie Neranos ansah. Tjark schob sie gedanklich ganz weit weg. Der Kommandant hatte mehr Stil, mehr Klasse, und um einiges bessere Umgangsformen. Und er hatte einen gewaltigen Vorteil: Er war lebendig.
„Natürlich dürft Ihr mich Sophia nennen, Kommandant.“ Leise seufzte sie auf. Sie wollte ihm die Wahrheit sagen, wer sie war, aber sie hatte Angst, dass er sie bei der Ehrwürdigen Mutter verpetzen würde. Andererseits - war es denn nicht verständlich, dass sie einen anderen Namen haben wollte, ihr altes Leben völlig hinter sich lassen wollte? Würde er diese Erklärung hin nehmen? Noch mehr Angst hatte sie jedoch, dass er furchtbar enttäuscht wäre von ihr. Trotzdem, es war zu riskant. Sie kannte ihn zu wenig, um zu wissen, welche Konsequenzen es haben könnte, würde er wissen, wer tatsächlich vor ihm saß.
„Ich gestehe, ich habe mich bisher nicht viel für Bücher interessiert, wenn dann habe ich hie und da Gedichte gelesen, oder spannende Abenteuer-Romane. Aber hauptsächlich habe ich mich den Fachbüchern gewidmet, die mit Pferden zu tun hatten. Es gibt viele interessante Themen, wie man schwer reitbare Tiere wieder zu normalen Reitpferden machen kann. Freilich erfordert das viel Geduld und Einfühlungsvermögen in die Seele des Pferdes, aber es zahlt sich aus. Leider ist immer noch weit verbreitet, dass ein junges Tier mit Gewalt gebrochen wird, statt es langsam an Sattel und Zaumzeug zu gewöhnen. In meinem früheren Leben, wenn man das so sagen kann, habe ich die meiste Zeit im Pferdestall verbracht und mich diesem Thema gewidmet. Aber ich bin offen für Literatur, von Kunst verstehe ich leider nicht all Zuviel. Ich kann nur sagen, ob mir ein Gemälde gefällt oder nicht, aber nicht, welche Kunst wirklich dahinter steckt.“ Sie lächelte ihn entschuldigend an.
Wieso kam sie sich vor wie ein kleines Schulmädchen? So ungebildet war sie doch gar nicht, allein dass sie lesen und schreiben konnte, war in dieser Zeit nicht unbedingt selbstverständlich für eine Frau. Zudem war sie tatsächlich vielseitig interessiert, aber sie hatte immer nur mit einem halben Ohr zugehört, wenn es um solche Themen ging. Viel lieber hatte sie über Pferde gefachsimpelt.
„Ich hoffe, Ihr habt nun nicht den Eindruck von mir, dass ich einseitig interessiert sei. Aber Pferde sind meine Leidenschaft, und waren auch mein Leben.“
Ihre Gedanken schweiften zu Donas. Hoffentlich war dieser gut versorgt, und sie machte sich doch Vorwürfe, dass sie sich nicht selber überzeugen konnte, dass er in den besten Händen war.


„Bitte nennt mich Sengaal“, flüsterte der Kommandant mit sanfter Stimme. „Und da Ihr Euch so für Pferde interessiert, kann ich Euch ein schönes Buch mit dem Titel ‚Die Pferderassen von Thedas‘ empfehlen. Wie Ihr sicher bereits vermutet, enthält dieser Band eine Beschreibung aller bekannten Pferderassen auf diesem Kontinent, inklusive Berichte über deren Herkunft und Aufzucht, sofern es darüber Aufzeichnungen gibt. Es ist vielleicht nicht sehr spannend geschrieben, aber für jemanden wie Euch, der sich für diese Tiere interessiert, lohnt sich das Durchlesen bestimmt, da es sehr viele Fakten enthält. Ein anderes schönes Buch, welches ich als Heranwachsender gelesen habe, ist eine Abenteuergeschichte über einen kleinen Jungen, dessen Pferd weggelaufen ist. Er folgt daraufhin dem Tier, um es wiederzufinden. Es ist zwar eher etwas für Kinder, aber sehr schön geschrieben. Besonders die Passagen, in denen das Pferd selbst auftaucht, fand ich immer sehr schön.“
Neranos nippte an seinem Tee, wobei er Leanora unentwegt ansah. Dabei wirkte es so, als würden seine Augen in dem flackernden Kerzenlicht leuchten wie kleine Diamanten. Die Freude über den Besuch der blondhaarigen Frau stand ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben. „Aber wo wir gerade beim Thema Pferde sind… ich habe mit unserem Stallburschen über Euren Einsatz in unseren Ställen gesprochen. Er könnte tatsächlich noch eine helfende Hand gebrauchen, insbesondere wenn Ihr wirklich so gut mit diesen edlen Tieren umgehen könnt, wie Ihr gesagt habt. Er erwartet Euch morgen früh nach der Morgenandacht in den Ställen unseres Ordens, um sich ein Bild von Euren Fähigkeiten zu machen. Die Wachen sind bereits informiert und werden Euch unbehelligt passieren lassen. Wenn alles gut läuft, werdet Ihr ab sofort vormittags hier arbeiten und Euch nachmittags mit den Nutztieren der Kirche beschäftigen. Ich werde dann noch die Formalitäten mit Bruder Castillá regeln, aber das wird schon in Ordnung gehen.“


„Ihr… ooohh… wie wunderbar!“ Leanora sprang voller Freude auf, ihr Gesicht war gerötet. „Eine frohere Botschaft hättet Ihr mir nicht überbringen können, Sengaal! Wie kann ich Euch nur dafür danken?“ Am liebsten hätte sie Neranos umarmt, aber diesem Impuls widerstand sie doch noch im letzten Augenblick. So nahm sie nur seine Hand kurz und drückte diese voller Dankbarkeit. Sie strahlte übers ganze Gesicht. Das Kerzenlicht wurde in ihren Augen reflektiert, und die honigfarbenen Einsprengsel funkelten beinahe. Nachdem sie nun schon stand, fragte sie sogleich: „In das Buch würde ich gerne einen Blick werfen, die Pferderassen von Thedas. Habt Ihr es griffbereit? Aber ich will keine Umstände bereiten“, fügte sie hastig hinzu. Sie fühlte sich plötzlich von aller Last befreit, unbeschwert, so wie sie zu Hause war. Ein lebensfroher Wirbelwind, und dieses Gefühl hatte sie die ganze Zeit über vermisst.
„Sengaal Neranos…“ murmelte sie leise. „Wie haben Eure Eltern nur diesen außergewöhnlichen Namen gefunden? Er passt zu Euch“, sagte Leanora voller Aufrichtigkeit. Und wieder überkam sie das Bedürfnis, ihm ihren richtigen Namen zu sagen. Also holte sie tief Luft.
„Sengaal… ich glaube, es gibt etwas, was Ihr über mich wissen solltet. Aber ich flehe Euch an, urteilt nicht zu hart.“ Sie sah ihm tief in die Augen, in ihrem Blick lag Unsicherheit und Scham. „Als ich ins Kloster ging wollte ich mein altes Leben hinter mir lassen. Dazu gehört auch mein richtiger Name.“
Nervös faltete sie die Hände ineinander. Er würde sie verfluchen, verurteilen und achtkantig hinaus werfen. Aber nun hatte sie schon begonnen, die Wahrheit auszupacken, somit konnte sie nicht mehr zurück. Ihre Stimme wurde leise, und ihr Blick fixierte einen Punkt an der Wand.
„Ich wollte nicht mehr an mein altes Leben erinnert werden, und so habe ich der Ehrwürdigen Mutter einen anderen Namen genannt. Einer, der mir sehr gefällt, und hätte ich eine Tochter, würde ich sie so taufen, nämlich Sophia.“
Noch leiser fügte sie hinzu: „Aber Ihr erinnert mich ein wenig an das Leben, welches ich hatte… und ich habe sehr viel Vertrauen in Euch. Mein richtiger Name ist Leanora.“
Jetzt war es heraus, sie fühlte sich zwar erleichtert, aber sie hatte furchtbare Angst vor der Reaktion des Templers. Sie wagte es nicht, ihn wieder anzusehen.
So stand sie vor ihm, beschämt, verlegen und nervöser denn je. Sie hatte alles aufs Spiel gesetzt: Ihre persönliche Zukunft, genau so wie die Zeit, die nun im Orden auf sie zukommen würde, die Arbeit mit den Pferden. Als sie daran dachte, löste sich eine Träne aus ihren Augen, ohne dass sie es bemerkte.


„Es war mir eine Freude, Euch diesen Gefallen zu erweisen, Sophia“, entgegnete Neranos auf Leanoras doch recht überschwängliche Reaktion. Dann ergriff sie für einen Augenblick seine Hand, und er spürte ein behagliches Kribbeln in den Fingern, welches als Gänsehaut seinen gesamten Arm hinaufkletterte. Langsam stand er auf. Und nur mit Mühe widerstand er dem unbändigen Wunsch die Frau in seine Arme zu schließen und leidenschaftlich zu küssen. Was war nur los mit ihm? Etwas Derartiges hatte er bisher noch nie empfunden.
„Ja, wie es der Zufall es so will, liegt dieses Buch über die Pferderassen Thedas tatsächlich auf meinem Schreibtisch“, lächelte er Leanora an. „Wartet, ich hole es sofort.“
Er wollte sich gerade abwenden und das Buch holen, als ihm Leanora tief in die Augen sah und ihm gestand, dass sie ihm und auch den übrigen Menschen hier in der Kirche einen falschen Namen genannt hatte. Während Neranos genau zugehörte, was ihm sein Gegenüber alles zu sagen hatte, zerfaserte sein Lächeln nach und nach und sein Gesichtsausdruck versteinerte. Er drehte sich um und ließ seinen Blick über die unzähligen Buchrücken seiner Sammlung schweifen, so als würde er dort Antworten auf die Fragen finden, die nun in ihm aufkamen.
‚Sie heißt also Leanora und nicht Sophia‘, ging es ihm durch den Kopf. ‚Und sie hat ihren Namen abgeändert, um mit ihrem alten Leben abzuschließen. Nur, warum erzählt sie mir das? Wenn ihr der Name Leanora nichts mehr bedeutet und sie sich deshalb einen neuen gewählt hat, weshalb nennt sie mir diesen Namen dann? Hat sie etwa irgendetwas zu verbergen? Oder kann sie nur nicht von ihrem alten Leben loslassen? Trage ich vielleicht auch Schuld an dieser Sache? Oder benutzt sie mich nur für einen mir unbekannten Zweck?‘
Betretenes Schweigen stand für einen endlos scheinenden Moment im Raum. Neranos hatte das Gefühl, er könne ganz deutlich seinen Herzschlag hören… und auch den von Leanora, der unruhig wie ein Wildvogel in einem Käfig aufgeregt gegen ihren Brustkorb hämmerte. Langsam wandte er sich wieder zu der Frau um, die es nicht wagte, ihm ins Gesicht zu sehen.
„Warum erzählt Ihr mir das, Sophi… Leanora?“ fragte Sengaal mit tonloser Stimme. Er starrte sie ausdruckslos an, wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Mit gemächlichen Schritten ging er auf sie zu, wobei er die Hand hob. Und es sah so aus, als wollte er ihr diese um den Hals legen und zudrücken. „Ihr bringt mich da in eine extrem schwierige Lage, wisst Ihr das?“
Neranos trat direkt vor sie, und erst jetzt blickte sie ihm wieder mit einem herzerweichenden Blick in die Augen, während ihr immer noch eine Träne langsam über die Wange hinab lief. Seine Hand näherte sich ihr immer weiter, seine Finger umschlossen ihren Nacken, bevor sein Daumen… ihr über die Wange strich, um ihr die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.
„Ich weiß jetzt nicht einmal mehr, wie ich Euch nennen soll. Ihr bringt mich völlig durcheinander“, sagte er schließlich aufmunternd, während sich wieder ein sanftes Lächeln auf sein Gesicht legte. „Ich habe Verständnis für Euer Tun. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Menschen, die sich der Kirche anschließen, ihr altes Leben hinter sich lassen wollen. Die meisten hier tun das auf die eine oder andere Weise. Und mit Sicherheit sind auch einige darunter, die sich aus diesem Grund einen neuen Namen zugelegt haben, damit sie sich leichter an dieses neue Leben gewöhnen können. Doch es ist mir schleierhaft, dass Ihr mir Euren alten Namen nennt, wenn er Euch, wie auch Euer früheres Leben, nichts mehr bedeutet. Ich hoffe nicht, dass mein Verhalten Euch gegenüber oder auch Euer Besuch hier bei mir, Euch mit genau den schmerzvollen Erinnerungen quält, die Ihr eigentlich innerhalb dieser Mauern hinter Euch lassen wolltet.“


Leas Angst hatte sich also bestätigt, sie spürte förmlich, wie ihm die Gesichtszüge entgleisten. Als er auf sie zuging, die Hand erhoben, griff eine kalte Hand nach ihrem Herz. Sie glaubte zwar nicht, dass er ihr etwas tun würde, aber sicher war sie sich nicht. Dafür blickte sie ihn wieder an, in ihren Augen spiegelten sich all ihr Kummer und ihre Angst wieder, die sie gerade durchstand.
Wenn sie mit allem gerechnet hätte, aber nicht, dass er ihr die Tränen von den Wangen so unendlich zart weg wischte, und ein zaghaftes Lächeln fand den Weg in ihr Gesicht.
„Sengaal, ich danke Euch so sehr für Euer Verständnis. Euer Verhalten mir gegenüber ist tadellos, sucht nicht die Schuld bei Euch. Bleibt ruhig bei Sophia, denn das bin ich ja nun. Ihr habt mich gefragt, wieso ich es Euch gesagt habe. Der eine Grund ist relativ einfach: ich wollte nicht, dass eine Lüge unser Kennen lernen überschattet. Und der andere, weil ich mir eingestehe, dass ich Euch wohl sehr gerne kennen gelernt hätte, als ich noch mein Leben als Leanora führte.“
Beim letzten Satz wurde sie rot, und als ihr bewusst wurde, dass seine Hand noch immer in ihrem Nacken und sein Daumen auf ihrer Wange lag, hob sie wiederum ihre Hand und legte sie zart über seine, und lehnte vorsichtig ihren Kopf dagegen. Ihr Gesicht musste dabei die Farbe einer überreifen Tomate haben, so verlegen war sie.
Ihr Blick versank wieder in seinen Augen, und sie wünschte sich nichts mehr, als dass die Zeit stehen bleiben möge. Sie spürte, wie sein Wesen immer mehr Besitz von ihr ergriff, und sie genoss dieses Gefühl. Sie konnte nicht dagegen ankämpfen, seine Ausstrahlung raubte ihr beinahe die Sinne.


„Ich wünschte auch, wir hätten uns früher kennen gelernt, Sophia“, lächelte der Kommandant zurück, wobei er den Namen Sophia besonders betonte. Er genoss die Berührung ihrer Hand auf der seinen und wollte plötzlich mehr. Viel mehr. Vor seinem geistige Auge sah er schon, wie er ihr die Robe vom Leib riss und sie gleich hier auf dem niedrigen Tisch nahm. Doch sofort meldete sich sein Gewissen zu Wort. Er war ein Mann von Ehre, und diese Situation der aufgewühlten Gefühle für ein flüchtiges Abenteuer auszunutzen lag außerhalb seiner Weltanschauung. „Doch nun seid Ihr eine Ordensschwester oder werdet es zumindest bald sein, sobald Ihr den Eid abgelegt habt, und ich bin ein Templer. Das macht die ganze Sache mehr als nur kompliziert.“
Er überlegte, was er nun tun sollte. Wieder kam in ihm das Bedürfnis hoch, Leanora einfach in den Arm zu nehmen und zu küssen, aber war das klug? Die Dinge würden dann sicher leicht außer Kontrolle geraten, wenn er sich einmal von seiner Leidenschaft übermann lassen würde, vor allem weil die junge Frau dem wohl auch nicht abgeneigt zu sein schien. Und wie sollte es danach weitergehen? Er würde mit Sicherheit seinen Posten als Kommandant der Templer verlieren, falls es jemals bekannt werden würde, dass er mit einer Schwester der Kirche eine Liebesaffäre eingegangen war. War ihm das egal? Und war es Leanora wert? Sie war ohne Zweifel eine liebreizende, junge Frau, doch sonst wusste er eigentlich nichts von ihr, außer dass sie Pferde liebte. War das wirklich genug, um dafür seine Karriere aufs Spiel zu setzen? Er beschloss, nicht länger darüber nachzudenken und die Sache langsam anzugehen. Schließlich war Leanora ja grad erst in der Kirche angekommen. Sie würde wohl so bald nicht wieder verschwinden.
„Ich denke, wir sollten da nichts tun, was wir beide anschließend bereuen würden. Außerdem lerne ich lieber erst eine Frau kennen, bevor ich mit ihr intim werde. Das klingt vielleicht etwas altmodisch, aber so bin ich halt. Und es hat nichts mit Euch zu tun, das kann ich Euch versichern. Nein, denn Ihr seid eine der liebreizendsten jungen Damen, denen ich jemals begegnet bin, doch wenn ich jetzt noch vertraulicher werde, dann weiß ich nicht, was geschehen wird“, sagte Neranos liebevoll, während er Leanoras Hand zu seinem Mund führte und ihr einen sanften Kuss auf die Finger gab. „Vielleicht sollte ich Euch jetzt doch das Buch über die Pferde Thedas zeigen, bevor wir beide hier noch festwachsen.“


Leanora erschauerte als Sengaal ihre Finger küsste. Es hätte nicht viel gefehlt, dass ihr die Knie nachgegeben hätten. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob er nicht irgendetwas völlig falsch verstanden hatte.
„Sengaal… Ihr glaubt doch hoffentlich nicht, dass ich…“ stotterte sie. Dennoch halfen ihr die liebevollen Worte danach, um sie weiter reden zu lassen, und zwar ohne dass ihr die Worte fehlten.
Seid unbesorgt. Auch ich bin keine Person, die sich auf Abenteuer einlässt. War ich nie, und als zukünftige Ordensschwester erst recht nicht. Wie Ihr schon erwähnt habt, wäre das Ganze mehr als nur kompliziert, von daher hätte ich mir ja gewünscht, Euch in meinem alten Leben kennen gelernt zu haben. Ihr macht es einer Frau ja auch nicht gerade einfach“, lächelte sie ihn spitzbübisch an. „Somit seid Ihr sicher nicht auf die Gunst einer Ordensschwester angewiesen. Bei Eurer Ausstrahlung braucht Ihr ja nur die Hand auszustrecken, und Ihr könnt unter den hübschesten und reichsten Mädchen Thedas wählen. Und nun lasst uns das Buch studieren gehen, bevor wir unserem Zauber doch noch erliegen!“
Sie löste sich schweren Herzens von ihm, trank ihren Tee auf einen Zug leer, denn das ganze hatte sie durstig gemacht. Dann drehte sie sich ihm wieder zu und war froh, dass sie das ganze relativ glimpflich überstanden hatte.


„Nun, bisher bin ich noch keiner Frau begegnet, die es wert gewesen wäre, erobert zu werden… bis heute“
, lächelte Neranos Leanora schelmisch an. „Aber sehen wir doch erst einmal nach dem Buch.“
Der Kommandant geleitete seinen Gast zu dem mächtigen Schreibtisch, auf dem ein in rotbraunen Leder gebundenes Buch lag, auf dessen Vorderseite ein prachtvolles Pferd eingraviert worden war, welches auf seinen Hinterbeinen stand. Er ließ Leanora vortreten und stellte sich selbst hinter sie, von wo aus er ebenfalls das Buch studieren konnte, da er ein ganzes Stück größer war als die blondhaarige Frau.
„Die prächtigsten Pferde auf Thedas stammen aus Anderfels, wo sie ebenso verehrt werden wie bei uns die Mabari“, kommentierte Neranos, während er das Buch aufschlug. Dort sah man die Zeichnung eines kräftigen Hengstes. Auf der Seite daneben standen der Rassenname sowie jede Menge weitere Informationen, über die Größe, das Durchschnittsalter und die Herkunft dieser Tiere. Während der Templer mit der einen Hand auf das Bild des Hengstes wies und über diese Pferderasse sprach, legte sich reflexartig seine andere auf den Handrücken Leanoras, deren Finger beinahe andächtig die Seiten des Buches berührten. „Ich hätte mir beinahe auch so ein Tier zugelegt, doch sind die Pferde aus Anderfels wild und schwer zu zähmen. Und da ich nur selten die Gelegenheit bekomme auszureiten, wäre so ein prachtvolles Wesen nichts für einen Mann wie mich.“
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Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer Empty
BeitragThema: Re: Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer   Kapitel XXII - Der Kommandant der Templer EmptyFr 26 Aug 2011, 10:37 pm

Leanora ließ den Satz unkommentiert, dass Sengaal bis heute keiner Frau begegnet war, die es wert gewesen wäre, erobert zu werden. Hieß das, sie wäre es wert? Es hatte ohnehin keinen Sinn, weder als Ordensschwester, noch als Leanora. Nicht als die Leanora, die sie dann werden würde, wenn sie das alles hinter sich hatte. Immerhin hatte sie einen Mord auf dem Kerbholz.
Sie war sich der körperlichen Nähe des Kommandanten voll bewusst, aber das Buch schlug sie in ihren Bann. Allerdings pochte ihr Herz relativ laut, als er seine Hand über die ihre legte, aber sie genoss es.
„Welch prächtige Tiere… so seht doch, sie erreichen ein Stockmaß von hundertachtzig Zentimetern. Das Pferd wäre jedenfalls wie für Euch gemacht!“ Eifrig las sie weiter. Vollblüter, sehr nervös, temperamentvoll und schwer zu zähmen. Innerlich fasste Leanora den Entschluss, sich eine solche Stute zuzulegen, wenn sie mit ihrer Pferdezucht anfangen würde. Donas als Zuchthengst dazu, auf das erste Fohlen freute sie sich schon heute. „… sehr springfreudig und ausdauernd. Eignet sich aufgrund der Nervosität nur als Freizeitpferd, auch wenn die Ausdauer Kutschenpferde zulassen würde“, las Leanora leise weiter. Ihre Augen leuchteten, und andächtig blätterte sie weiter, um die anderen Rassen zu studieren.
Die Rassen Fereldens ließ sie aus, die kannte sie alle samt und sonders. Dann kam ein Kapitel, welche die Pferde Antivas beschrieb. Auch hier fand sie einige Rassen, die sehr interessant waren. Edle Tiere, die aber nicht so nervös waren, dafür aber auch kleiner und zierlicher. Auch einige schwere Zugpferde waren dabei, mit langen Fessel-Behängen aber mit seidigem Fell, die sogar für den Einsatz am Acker geeignet waren. Sie überlegte, wie wohl eine Kreuzung aus dem Fereldschen Vollblut und diesem Orlaisianischem Kaltblut funktionieren könnte, und vor allem, welche Eigenschaften sich daraus hervor heben würden.
Während die beiden das Buch studierten, machten sie sich gegenseitig auf die eine oder andere Eigenschaft der Tiere aufmerksam, und Neranos musste zugeben, dass Leanora eine Menge von Pferden verstand. Aber er ließ es sich nicht anmerken, ob es ihn verwunderte.
Als sie in etwa bei der Hälfte angelangt waren, wandte sich Leanora um.
„Ich bin durstig, wenn Ihr gestattet, so nehme ich mir noch eine Tasse von diesem köstlichen Tee! Außerdem ist die Zeit beinahe verflogen, und wir haben uns kaum unterhalten, außer über Pferde. Erzählt mir von Euch“, bat Leanora den Kommandanten. Sie stand Angesicht zu Angesicht bei ihm, er war noch keinen Schritt zurück gewichen.
„Versprecht mir, dass Ihr morgen auf Euch aufpasst“, sagte sie leise. „Von diesem Inquisitor habe ich einiges Gruseliges gehört, und ich sorge mich um Euer Wohlbefinden.“ Fest sah sie ihm in die Augen, sie hatte tatsächlich Angst, dass ihm etwas zustoßen konnte.


„Mir wird schon nichts passieren, Sophia“, meinte Neranos lächelnd, wobei er ihre Hände in die seinen nahm und an seine Brust drückte, um die junge Frau zu beruhigen. „Dieser Gromschlag hat zwar einen fürchterlichen Ruf, doch seine Erfolgsquote gibt ihm recht. Bisher konnte er noch jeden abtrünnigen Magier zur Strecke bringen, hinter dem er her war. Aber ich bin ein Templer und kein flüchtiger Magier, wir stehen also auf der selben Seite. Das wird schon gut gehen. Aber ich bin entzückt, dass Ihr Euch Sorgen um mich macht. Das ist wirklich lieb von Euch.“
Der Kommandant drückte sanft Leanoras Hände, während er ihr liebevoll in die Augen sah. So standen sie einen Moment schweigend voreinander, bevor er seine Fassung wiedergewonnen hatte. „Nur leider weiß ich nicht, ob wir noch viel Zeit für ein gutes Gespräch haben werden, sobald der Inquisitor hier eintrifft. Ich werde natürlich versuchen, auch in den nächsten Tagen Zeit für Euch zu haben, aber ich kann es leider nicht versprechen. Und das schmerzt mich jetzt schon… aber was rede ich hier eigentlich die ganze Zeit für einen Unsinn. Ihr habt Durst, und ich plappere Euch die Ohren voll wie ein altes Waschweib. Kommt, setzen wir uns wieder hin.“
Die beiden gingen zu der Sitzgruppe zurück und ließen sich in den Sesseln nieder. Neranos nahm die Teekanne zur Hand und füllte die Tassen der beiden wieder auf. Dabei ließ er Leanora keinen Augenblick aus den Augen.
„Ach ja, Ihr wollt ja etwas über mich erfahren“, erinnerte sich der Kommandant mit einem leichten Grinsen, während er der blondhaarigen Frau eine der Tassen hinüberreichte. „Hier, bitte… auch wenn es da nicht viel zu erzählen gibt. Ich bin nur der dritte Sohn eines Adeligen aus Highever und hatte somit keinen Anspruch auf den Titel meines Vaters. So übernahm auch mein älterer Bruder die Ländereien unserer Familie nach dessen Tod. Ich selbst erbte nur einen Haufen Bücher und eben meinen Diener Fassian, wenn Ihr so wollt. Schon zu den Lebzeiten meines Vaters schloss ich mich dem Templerorden an, um der gerechten Sache zu dienen. Ich dachte, so könnte ich diesem Land etwas von dem zurückgeben, was es mir durch meine Geburt in einer Adelsfamilie geschenkt hatte. Ich war schon immer sehr ehrgeizig und konzentrierte mich nur auf meine Arbeit… und meiner Leseleidenschaft natürlich. Dementsprechend schnell stieg ich auch in den Rängen des Ordens auf, doch leider konnte mein Vater nicht mehr miterleben, wie ich zum Kommandanten der Garnison hier in Denerim geworden bin… ich bin sicher, er wäre sehr stolz auf mich gewesen.“
Neranos schwieg für einen Moment, in dem er nachdenklich in seine Tasse starrte, dessen Inhalt er eher geistesabwesend umrührte. Nach einem kurzen Augenblick des Überlegens fuhr er dann fort. „Das war eigentlich schon die ganze Geschichte meines Lebens. Nicht sehr viel, ich weiß, aber ich bin trotzdem stolz, auf das, was ich erreicht habe. Jetzt würde ich ja Euch nach Eurer Vergangenheit fragen, aber Ihr seid ja hier, um genau diese zu vergessen, also lasse ich das lieber. Erzählt mir stattdessen, was Euch sonst noch so interessiert… außer Pferde natürlich.“
Bei seinen letzten Worten hatte der Mann sein Lächeln wiedergefunden, welches er Leanora in seiner ganzen Pracht schenkte.


Leanora war froh, die Tasse in ihren Händen zu halten. Als Sengaal erwähnte, dass er auf der gleichen Seite stand wie der Inquisitor, wurde ihr das ganze Ausmaß der Tragödie bewusst. Zum zweiten Mal in ihrem Leben traf sie einen Mann, der sie faszinierte. Und der zwangsläufig gegen sie beziehungsweise ihre Gefährten sein musste.
Leichte Verzagtheit ergriff von ihr Besitz, auch wenn sie die ganze Zeit über wusste, dass sie als Mitglied der Kirche keine Möglichkeit hatte, diese romantischen Gefühle zuzulassen. Es war, als würde ein Fluch über ihr hängen. Zuhause hatte sie keinen einzigen Mann kennen gelernt, der sie auch nur halbwegs faszinierte. Und hier in Denerim innerhalb kürzester Zeit gleich zwei, wo sie sich vorstellen konnte, dass er unter andern Umständen ihr künftiger Gemahl hätte werden können.
So stand sie wieder einmal zwischen Loyalität gegenüber ihren Gefährten und ihrer aufkeimenden Liebe. Sie hatte Angst um Sengaals Wohlbefinden, aber noch mehr Angst hatte sie, dass Neria aufgespürt werden könnte. Ihr wurde bewusst, wie unvorsichtig sie war, als sie dem Kommandanten ihren richtigen Namen genannt hatte, und sie konnte nur hoffen, dass er keine Nachforschungen anstellen würde.
Als er erwähnte, dass sie wohl demnächst keine Zeit mehr finden würden, ein gutes Gespräch zu führen, wurde ihr dennoch das Herz schwer.
„Ich hoffe doch, dass Ihr vielleicht kurz Zeit finden werdet, um Euch ein Bild machen zu können über meine Arbeit in den Stallungen, Sengaal. Aber natürlich verstehe ich, dass Ihr dann genug um die Ohren habt.“
Als Neranos von seiner Vergangenheit erzählte, setzte sie die Tasse wieder ab und griff abermals nach seiner Hand.
„Es ist immer schlimm, einen geliebten Menschen zu verlieren, und es hört sich so an, als wärt auch Ihr in einer liebevollen Familie aufgewachsen. Ich weiß wie es ist, auch ich habe meine Eltern bereits verloren. Ich bin mir sicher, Euer Vater wäre sehr stolz auf Euch gewesen.“
Zart strich sie über seinen Handrücken, bevor sie ihn wieder aus ließ.
„Ich danke Euch für Euer Mitgefühl, dass ich meine Vergangenheit vergessen will. Ihr fragt nach meinen Interessen, die ich hatte oder noch immer habe, außer meiner Liebe zu Tieren. Auch wenn es sich widersprechen mag, aber ich war gerne mit dabei auf der Jagd, aber es waren nie Treibjagden, wo die Tiere aufgescheucht wurden. Wir sind nur dann jagen gewesen, wenn es galt, den Bestand der Tiere zu kontrollieren, und erlegten nur kranke oder verwundete Tiere. Ich mochte es, mit Pfeil und Bogen umzugehen, und war sogar relativ geschickt darin. Außerdem tanze ich sehr gerne, Musik an sich mochte ich schon immer. Es wäre schön, wenn ich auch im Kirchenchor unterkommen würde.“
Es war gar nicht so einfach, auf die schnelle aufzuzählen, was sie interessierte. Im Prinzip fielen ihr nur die Sachen ein, die sie leidenschaftlich gern tat, ansonsten war ihr Hirn beinahe wie leer gefegt, erst recht, als ihr Neranos wieder einen dieser tiefen Blicke zuwarf.


„Was heißt ‚in einer liebevollen Familie‘, Sophia?“ erwiderte Neranos etwas schwermütig. „Um ehrlich zu sein, war meine Kindheit nicht gerade rosig. Meine Mutter starb als ich noch klein war, und für meinen Vater gab es nur Gehorsam, Pflichterfüllung und Disziplin. Er führte seine Familie wie ein strenges Regiment, von Liebe war da nicht viel zu spüren, und ich war froh, dass ich seinem Einfluss entkommen konnte, als ich dafür alt genug war. Das Beste, was ich über meinen Vater sagen kann, ist, dass ich ihn respektiert habe. Doch was beklage ich mich hier eigentlich bei Euch? Wo es doch so viele Kinder in Ferelden gibt, die nicht einmal regelmäßig etwas zu essen bekommen. Von dem Standpunkt aus gesehen, kann ich eigentlich froh über meine Herkunft sein. Sie hat mir das ermöglicht, was ich heute bin.“
Als er Leanoras Hand auf der seinen spürte, verflogen seine finsteren Gedanken augenblicklich, und ein warmes Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Es ist schon eigenartig, nicht wahr? Dass ich über solch private Dinge mit einer Frau spreche, die ich erst seit ein paar Stunden kenne? Hätte mir das gestern jemand erzählt, so hätte ich es ihm sicher nicht geglaubt. Aber Ihr seid schon etwas Besonderes, Sophia. Und ich fühle mich in Eurer Nähe mehr als nur wohl.“
Der Kommandant hörte der blondhaarigen Frau aufmerksam zu, als diese über ihre Interessen sprach. Ihre Begeisterung für die Jagd konnte er nicht nachvollziehen, obwohl er selbst ja auch so etwas wie ein Jäger war. Allerdings jagte er keine Hirsche oder Hasen, sondern Menschen. Und Gefallen fand er an dieser Tätigkeit mit Sicherheit keinen. Für ihn war diese Arbeit ein notwendiges Übel und eine Bürde, die er auf sich nahm, um die unschuldigen Bewohner dieses Landes vor den Kräften des Bösen zu schützen. Nur dieser Gedanke ermöglichte es ihm überhaupt, diese Tätigkeit als Templer der Kirche ausüben zu können.
Leanoras übrige Interessen fanden allerdings das Wohlwollen Neranos, da er selbst gern Musik hörte und das Tanzbein schwang. Gleichzeitig machte es ihn aber auch ein wenig traurig, da er es stark bezweifelte, dass er jemals die Gelegenheit dazu bekommen würde, mit der Frau, die ihm in diesem Augenblick gegenüber saß, tanzen zu können.
„Wisst Ihr, ich tanze auch sehr gern. Und es macht mir das Herz schwer, dass ich wohl nie in den Genuss kommen werde, mit einer bezaubernden Frau wie Euch über das Tanzparkett gleiten zu können.“ Er seufzte einmal, bevor er Leanora verschmitzt angrinste. „Aber vielleicht erweist Ihr mir die Ehre, mich Eure Gesangskünste hören zu lassen. Wenn Ihr in den Kirchenchor wollt, dann habt Ihr mit Sicherheit eine faszinierende Gesangstimme.“


„Oh das tut mir leid, Sengaal“, sagte Leanora, als dieser von seiner Familie erzählte. „Ich kann mir so etwas überhaupt nicht vorstellen, da ich selber in einer sehr liebevollen Umgebung aufwuchs. Von daher dachte ich, Euer Schmerz über den Verlust des Vaters wäre gleich dem meinen. Aber wenn ich das nun höre, denke ich, dass Ihr ihm eher beweisen wolltet, dass Ihr es trotzdem zu etwas Großartigem gebracht habt. So kann ich nur sagen: Seid stolz auf das Erreichte, es kann Euch egal sein ob er es noch mit erlebt hat oder nicht. Ich finde, es ist um so vieles schöner, etwas zu leisten, wenn man damit auch weiß dass man den anderen damit erfreut.“
Gebannt hörte sie ihm zu, als er davon träumte, mit ihr zu tanzen.
„Das wäre wirklich bezaubernd. Aber ich denke, als Schwester geziemt sich das nicht mehr, leider. In der Öffentlichkeit können wir das also nicht tun. Aber…“ Ihre Augen blitzten schalkhaft auf, und sie deutete mit dem Finger auf die Tür. „Aber soweit ich mich erinnere ist der Saal da vorne mit herrlich glattem Parkett ausgelegt. Es darf halt keiner sehen.“ Sie schenkte Sengaal ein lausbübisches Grinsen, seine Worte stachelten sie gerade zu an, etwas Unschickliches zu tun. Allerdings fiel ihr schnell ein, dass sie damit die Stellung des Kommandanten in Gefahr bringen würde, wenn sie dabei doch ‚erwischt‘ würden. „Verzeiht, Kommandant. Mein Übermut kam durch.“
Es war ihr wirklich peinlich, dass sie sich in seiner Gegenwart so gehen ließ, was musste er nur über sie denken?
Zuletzt meinte sie: „Ich könnte Euch gerne etwas vorsingen. Und wenn Ihr irgendwo einen Flügel stehen habt, würde ich dazu sogar spielen. Natürlich nur, wenn Ihr möchtet.“


„Danke, es bedeutet mir sehr viel, dass Ihr das sagt, Sophia“, erwiderte Neranos mit einem glücklichen Lächeln auf Leanoras Lob hin. „Und Ihr führt mich wirklich in Versuchung. Ich könnte mir im Moment nichts Schöneres vorstellen, als mit Euch zu tanzen. Doch dieses Vergnügen wird uns beiden wohl versagt bleiben. Ihr seid eine Ordensschwester und ich ein Templer der Kirche. Und wir könnten beide aus der Gemeinde ausgeschlossen werden, sollte etwas Derartiges die Ohren unserer Vorgesetzten erreichen. Aber Eurem Gesang würde ich wirklich zu gern lauschen. Bitte, folgt mir.“
Der Templer stand auf, nahm Leanora bei der Hand und führte sie aus der Bibliothek heraus. Auf dem Gang draußen wandten sie sich nach rechts und gingen bis zur zweiten Tür auf der linken Seite. Neranos öffnete diese und gab damit der blondhaarigen Frau den Blick auf ein prachtvoll eingerichtetes Musikzimmer frei. Am anderen Ende des großen Raumes stand auf einem leicht erhöhten Plateau ein großer weißer Flügel.
„Hier finden normalerweise immer die Feierlichkeiten des Hauses statt, bei denen Fassian meinen Gästen etwas vorspielt“, verkündete der Kommandant lachend. „Doch nun würdet Ihr mir eine unermessliche Freude damit machen, wenn ich Euch dazu überreden könnte, dass Ihr mir etwas vorspielt.“


Leanora fühlte sich, als würde sie träumen, als sie den Flur entlang schritten. Sie fühlte sich zurückversetzt in eine Zeit, die nie wieder kommen würde.
Innerlich verfluchte sie den Umstand, Laienschwester zu sein und dass Sengaal Neranos Kommandant des Templerordens war. Wieso wurden ihr damals nicht solch charakterstarke Männer vorgestellt? Auf den Bällen waren samt und sonders verweichlichte und verzogene Jünglinge, die um ihre Gunst warben, aber kein Mann, der nur annähernd die Klasse Neranos hatte. Nicht einmal Tjark hatte sie so faszinieren können, wie der blonde Mann, der sie an der Hand in das Musikzimmer führte. Allerdings hatte sie sich mit diesem auch nicht annähernd so gut und so lange unterhalten können.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als die beiden den prachtvoll ausgestatteten Raum betraten. Der Boden war mit feinsten Parkett-Stäbchen mit Intarsien in anderen Farben ausgelegt, einige bequeme Sitzecken luden zum verweilen ein, auf einem kleinen Tisch stand Portwein und dazugehörige Gläser. Der Flügel auf dem Podest war eine Kostbarkeit.
Andächtig schritt Leanora darauf zu, setzte sich auf den Schemel und ließ probehalber die Finger über die Tasten gleiten. Glücklich schloss sie die Augen, spielte eine schnelle Tonleiter, bevor sie ein klassisches Musikstück intonierte. Ihre Hände fanden die richtigen Töne beinahe von selber, und sie spielte zuerst ein zwei Stücke, ohne dass sie diese gesanglich begleitete. Sie freute sich wie ein kleines Kind, dass sie ohne Noten noch immer spielen konnte, und so wagte sie sich dann doch an ein etwas schwereres Stück, auch wenn dieses ein fröhliches Trinklied war.
Sie öffnete die Augen und sah, dass Neranos sich in einem Sessel niedergelassen hatte, in der Hand ein nun eingeschenktes Glas Portwein und sie mit strahlenden Augen ansah.
Verlegen blickte sie auf ihre Hände und sagte:
„Dann passt das nächste Lied ja sogar. Auf Euer Wohl, Kommandant!“ Sie blickte ihm wieder in die Augen und schenkte ihm ein fröhliches Lächeln.
Leanora räusperte sich kurz, schlug die ersten Akkorde an und begann mit ihrer klaren Stimme einen Teil einer Arie zu singen.
„Tra voi tra voi saprò dividere
il tempo mio giocondo;
Tutto è follia, follia nel mondo
ciò che non è piacer
Godiam, fugace e rapido
e'il gaudio dell'amore,
e'un fior che nasce e muore,
ne più si può goder
Godiamo, c'invita, c'invita un fervido
accento lusinghier”

Den Refrain spielte sie noch einmal ohne Gesang auf dem Flügel und endete dann.
„Leider kann ich mich nicht mehr an den ganzen Text erinnern“, fügte sie schulterzuckend hinzu, aber ihre Augen leuchteten voller Freude.


„Das war einfach wundervoll, ach was sage ich, grandios geradezu“, lobte Neranos die Gesangs- und Spielkünste Leanoras. Er trank noch ein Schluck aus seinem Glas, bevor er es auf dem kleinen Tisch abstellte, wieder aufstand und klatschend auf die blondhaarige Frau zuging. „Ihr habt eine wunderbare Stimme und Euer Können auf dem Flügel übertrifft die meines Dieners bei Weitem. Bitte seid so gut und spielt mir noch ein Stück vor.“
Leanora ließ sich nicht zweimal bitten, sondern stimmte ein neues Lied an. Es handelte sich dabei um eine Ballade über die verlorene Liebe zweier junger Menschen. Die blondhaarige Frau wählte dieses Lied rein zufällig. Erst als sie es vortrug, wurde ihr die Ironie des Ganzen bewusst. Der Kommandant stellte sich hinter Leanora, hob den Kopf und schloss die Augen, um sich ganz in der Musik zu verlieren, welche sein Herz berührte. Dabei legte er der Frau unbewusst seine Hände auf die Schultern. Nie hatte er sich so glücklich gefühlt, wie in diesem Augenblick.
Nachdem Leanora ihren Gesang beendet hatte, öffnete er seine Augen wieder und sah zu ihr herunter. Als sein Blick auf ihre Schwesterntracht und vor allem auch auf seine Hände fiel, zog er diese ganz schnell wieder zurück. Für einen Moment überkamen ihm Zweifel.
‚Was tue ich hier überhaupt?‘ ging es ihm abermals durch den Kopf. ‚Das kann doch gar nicht gut gehen. Sie ist eine Schwester der Kirche und ich bin ein Templer. Das kann nur in einer Katastrophe enden, doch… je mehr ich über sie erfahre und sie kennen lerne, desto schwieriger ist es für mich, von ihr abzulassen. Bin ich etwa von dieser Frau besessen? Was passiert nur mit mir?‘
Schnell schüttelte er diese Gedanken ab, bevor er erneut begeistert in die Hände klatschte. „Bravo, Sophia. Das war einfach phantastisch. Ich könnte Euch den ganzen Abend lang zuhören, doch ich möchte Eure Stimme nicht überstrapazieren. Wie wäre es stattdessen mit einem kleinen Spielchen. Ich kenne da ein ganz neues Geschicklichkeitsspiel, welches sie in Anderfels spielen. Es heißt Mikado. Hättet Ihr vielleicht Interesse, es einmal auszuprobieren? Es wird Euch sicher gefallen.“


Leanora hatte das Stück einfach so gespielt, aber während sie sang, kam ihr die Ironie des Liedes zu Bewusstsein. Sengaal stand hinter ihr, die Hände auf ihren Schultern, und es fühlte sich so an, als würden sie da hin gehören. Sie bedauerte es, als er die Hände wieder weg nahm.
„Für Euch würde ich den ganzen Abend spielen, Sengaal. Es bereitet mir selber Freude, wieder einmal in den Genuss des Musizierens zu kommen. Auch wenn ich vielleicht im Kirchenchor mitwirken dürfte, ist es dennoch etwas völlig anderes, privat zu singen und zu spielen. Noch dazu bei so einem hervorragenden Instrument! Da macht es gleich doppelt Spaß. Zudem hat Bruder Castillá meine Stimme noch nicht gehört. Wer weiß ob er sie überhaupt für gut genug befinden würde.“
Sie sah ihm wieder in die Augen und verlor sich in seinem Blick. Sie fand den Kommandanten immer sympathischer je länger der Abend dauerte. Um so froher war sie, als er ein Geschicklichkeitsspiel vorschlug. So würden sie doch noch mehr Zeit miteinander verbringen und sie war noch kein bisschen müde.
„Aber gerne würde ich das Spiel einmal probieren, Sengaal. Es kann eigentlich nur witzig werden!“
Der Templer holte das Spiel und bot Leanora Portwein an. Dann erklärte er ihr die Spielregeln.
Leanora lächelte. „So schwer kann das doch nicht sein?“ meinte sie, aber musste gleich darauf feststellen, dass es doch ganz schön kniffelig war, die Holzstäbchen zu ziehen oder abzuheben, ohne dass ein anderes ins Wackeln kam. Das erste Spiel gewann der Kommandant haushoch, und Leanora meinte dazu:
„Das zählt noch nicht, Ihr habt darin schließlich Übung! Lasst uns noch eines zum üben spielen, und dann richtig.“
Beim zweiten Durchgang stellte sie sich etwas geschickter an. Der Sieg ging zwar wieder an Neranos, aber nicht mehr so überlegen.
Weitere Spiele folgten, der Abstand wurde immer geringer, und Leanora hatte der Ehrgeiz gepackt.
Vor lauter Anstrengung, die Hand völlig ruhig zu halten, hatten sich Leanoras Wangen mittlerweile langsam gerötet. Der Portwein tat sein Übriges dazu. Sie lachten und amüsierten sich wie zwei kleine Kinder, wenn der andere sein Stäbchen verlor.
„Puh, das ist anstrengender, als es aussieht“, lachte Leanora. Sie war an der Reihe und balancierte ein Stäbchen geschickt aus dem Stapel, als sie niesen musste. Um schnell die Hand vor den Mund zu halten, ließ sie beide Stäbe fallen, die daraufhin auf dem Boden landeten.
„Gesundheit“ wünschte der Kommandant, und Leanora bedankte sich, kniete sich auf den Boden und holte die Stäbchen unterm Tisch hervor. Als sie sich aufrichten wollte, hatte sie jedoch die Ausladung der Tischplatte unterschätzt und stieß sich den Kopf relativ unsanft. Daraufhin ließ sie die Stäbchen noch einmal fallen, um sich mit der rechten Hand an den Hinterkopf zu fassen.
„Aua! Ich glaube, der Tisch ist größer geworden!“ rief sie unter dem Möbelstück hervor.
Noch bevor der Kommandant ihr zu Hilfe eilen konnte, krabbelte sie auf allen Vieren noch ein Stück zurück, schaute vorsichtig nach oben, und richtete sich dann wieder auf.
Sie sah ihm in die Augen und begann herzhaft zu lachen, so dass ihr beinah die Tränen kamen. Sie stellte sich vor, wie ungeschickt das ausgesehen haben musste, als sie auf allen Vieren krabbelnd sich den Kopf stieß, und die Beute dadurch wieder fallen ließ.


Neranos und Leanora spielten eine Weile dieses neue Spiel und tranken dazu Portwein. Dabei lachten sie fast die ganze Zeit über. Der Kommandant konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal so viel Spaß gehabt hatte wie an diesem Abend. Er wünschte, sich dass dieser nie zu Ende gehen würde.
Als die blondhaarige Frau unter den Tisch kroch und sich anschließend den Kopf an selbigem stieß, was zur Folge hatte, dass der Stäbchenhaufen auseinander rollte, konnte er nicht anders, als lauthals loszulachen. „Wenn Ihr unbedingt gewinnen wollt, dann sagt es doch einfach. Dann halte ich mich etwas zurück“, prustete er los, während ihm die Lachtränen aus den Augen liefen. „Dafür braucht Ihr nicht gleich die ganze Spielfläche abzuräumen.“
Und als sie dann unter dem Möbelstück hervor gekrabbelt kam, wurde sein Lachen noch lauter, und er schlug reflexartig auf den Tisch, wodurch noch mehr Stäbchen auf den Boden kullerten, was bei ihm einen weiteren Lachanfall hervorrief. Auch Leanora fing an zu lachen, als ihr Blick auf den Kommandanten fiel. Und beide brauchten eine ganze Weile, um sich wieder zu beruhigen.
„Ihr seid mir vielleicht eine“, lachte Neranos, während er sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. „Als Ihr unter dem Tisch hervorgekrochen kamt, habt Ihr mich an meine Katze erinnert, die ich als Kind mein eigen nannte. Sie war meine beste Freundin müsst Ihr wissen und versteckte sich immer unter meinem Bett. Und wenn sie darunter hervorkam, sah das genauso aus wie jetzt gerade bei Euch. Nur war sie nie so süß wie Ihr es seid, Sophia.“
Sengaal legte seine Hand auf die Leanoras und drückte diese liebevoll, während er die Frau anlächelte. Er spürte, dass er drauf und dran war, sich in Leanora zu verlieben, doch das war ihm in diesem Moment völlig egal. Ebenso wie die Konsequenzen, die daraus entstehen konnten. Aber diese Empfindung fühlte sich richtig an. Und er wollte daran festhalten.


Zum Glück konnte Leanora nicht mehr röter werden, da ihr Gesicht durch das Lachen mittlerweile die Farbe einer überreifen Tomate angenommen hatte. Das Kompliment, welches Neranos ihr machte, hätte sie sonst noch mehr erröten lassen. Als er seine Hand auf die Ihrige legte, schlug ihr Herz wie verrückt, und sie erwiderte sein Lächeln. Schon sehr lange hatte sie nicht mehr so einen schönen Abend verbracht. Selbst wenn sie an zu Hause zurückdachte, konnte sie sich so schnell an keinen Ball erinnern, an dem sie sich nur annähernd so wohl gefühlt hatte, geschweige denn, sich so köstlich unterhalten hatte. Wieder verfluchte sie die Umstände, wie sie den Templer kennen gelernt hatte. Dennoch, wäre sie nicht im Kloster aufgenommen worden, hätte sie ihn überhaupt nicht kennen gelernt. Die Lage war verzwickt, wenn nicht sogar aussichtslos. Dazu kam die Angst, dass er herausfinden würde, wer sie wirklich war.
Er wusste schließlich nicht, dass sie zu unrecht gesucht wurde, das ganze nur eine Farce war, und sie ihren Namen rein waschen wollte. Allerdings würde dieser nie mehr so blütenweiß werden wie er einst war, schließlich war sie bei der Befreiung ihrer Gefährten dabei und hatte einen Mord begangen. Eine unschuldige Leanora würde es nie wieder geben, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass Sengaal das verstehen konnte, geschweige denn verzeihen.
Ob er von den vermissten Kindern wusste? Es war schwer vorstellbar, Neranos machte einen zu ehrlichen Eindruck. Aber ihn auf solch heikle Themen anzusprechen lag ihr in diesem Moment absolut fern.
„Hat Eure Katze denn auch hin und wieder die Krallen ausgefahren, Kommandant? So süß bin ich eigentlich gar nicht“, wehrte sie bescheiden ab, aber lächelte ihn sofort wieder strahlend an. Dabei konnte man ihre Gefühle für ihn durchaus aus den Augen lesen, wenn man sie kannte.
Eigentlich wurde es langsam Zeit, den Besuch zu beenden. Der Abend war doch schneller vergangen als ihr lieb war, aber sie wollte noch nicht gehen, egal ob es sich nun schickte oder nicht. Am liebsten wäre sie für alle Ewigkeit so da gestanden, seine Hand auf ihrer, sich in die Augen blickend. Erst recht, wo sie wusste, dass so schnell keine Möglichkeit mehr kam, mit ihm unter vier Augen zu reden, auf privater Ebene.
„Könnte bitte jemand die Zeit anhalten?“ fragte sie leise und ihr ganzes Herz lag in ihrem Blick.


„Aha, verstehe… Ihr seid also ein Wildkatze, die es darauf anlegt, gezähmt zu werden, was?“
grinste Neranos die rotgewordene Leanora schelmisch an. „Nichts würde mir mehr Freude bereiten, als genau dieses zu versuchen.“
Er führte ihre Hand zu seinem Mund und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Finger, bevor er genau diese Stelle streichelte, als wolle er damit erreichen, dass eben dieser Kuss niemals auf den Fingern der blondhaarigen Frau verblasste. „Aber wie Ihr schon so treffend sagtet, wo ist nur derjenige, der für uns die Zeit stillstehen lässt? Anscheinend hat dieser jemand heute Ausgang, so dass wir uns nun wohl leider voneinander verabschieden müssen. Allerdings nur für heute, denn ich möchte Euch auf jeden Fall so bald wie möglich wiedersehen, Sophia. Und um Euch einen Grund zu geben, zu mir zurückzukommen, überlasse ich Euch das Buch über die Pferderassen auf Thedas. Vielleicht bringt Euch dessen Studium Erkenntnisse über diese edlen Tiere, die Euch bisher unbekannt sind. Außerdem werde ich morgen mit Bruder Castillá über Eure vorzüglichen Gesangstalente sprechen. Möglicherweise bekommt Ihr dann im Kirchenchor eine tragende Rolle zugesprochen.“



„Eine Wildkatze?“ Leanora lachte glockenhell auf. „Nein, Sengaal, ich glaube nicht“
Ein wohliger Schauer durchfuhr sie, als er ihre Finger küsste. Sie konnte kaum glauben, dass das gerade tatsächlich passierte, aber ein Blick in seine Augen verriet ihr, dass es die Wirklichkeit war.
„Wie kann ich Euch nur danken, Kommandant? Es war ein wunderschöner und unvergesslicher Abend für mich. Und dass Ihr mir das Buch leihen wollt… ich werde sorgsam darauf Acht geben“, versprach sie ihm. Solch eine Kostbarkeit, und sie würde darin studieren können und vielleicht neue Erkenntnisse ihrer künftigen Arbeit daraus ziehen können.
Sie drückte das Buch, welches ihr Neranos aushändigte, an sich, gab ihm die Hand und bedankte sich noch einmal überschwänglich für den zauberhaften Abend. Der Templer geleitete sie noch bis zur Tür und winkte ihr nach.
Kaum war sie außer Sichtweite, verlangsamte sie ihre Schritte und schlug den Weg zum Treffpunkt ein. Sie wollte sehen, ob Vernita inzwischen da war, oder eine Nachricht hinterlassen hatte. Ihr Zeitgefühl hatte sie völlig verloren, sie hätte nicht sagen können, wie spät es gerade war.
Ihre Gedanken überschlugen sich, sie war völlig aufgewühlt, und ihr Gesicht war noch immer erhitzt.
Langsam schlenderte sie zum Innenhof, wo allerdings keine Spur von der Elfe war, und auch ihre Notizen lagen noch im Baumstumpf. War es wirklich erst ein Tag her, wo sie Vernita im Kloster abgeladen hatte? So Vieles war auf sie eingestürzt, und sie fühlte sich tatsächlich wohl und glücklich.
Sie setzte sich auf eine Bank und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Vor allem die Erinnerungen an den heutigen Abend kamen in ihr hoch, und egal wo sie hinblickte, sah sie Sengaal vor sich. Ob er wusste, wie sehr er sie durcheinander brachte? Einerseits war sie froh, dass sie nicht ernsthaft vorhatte, dem Orden für immer beizutreten und ihr Gelübde abzulegen. Andererseits gab es auch so keine Zukunft für sie. Ihr krampfte sich das Herz zusammen, als sie daran dachte, was sie ihm alles beichten müsste, und das würde keine Liebe aushalten. Zumindest konnte sie sich das nicht vorstellen. Würde sie ihm im umgekehrten Falle verzeihen können? Würde er seine Position aufgeben und Gutsherr sein können? Sie schüttelte den Kopf. Wohin verirrten sich nur ihre Gedanken? Vor allem müsste sie erst einmal ihren Grundbesitz wieder ihr Eigen nennen können bevor sie so was überhaupt in Betracht ziehen konnte. Konnte sie als Leanora um ihn werben?
Leise seufzte sie auf. Wahrscheinlicher war, dass sie ihn nie wieder sehen würde, sobald sie das Kloster wieder verlassen würde.
Zärtlich strich sie mit ihrem Zeigefinger die Konturen im Leder des Buches nach. Wie er wohl küsste? Sie wurde rot, als sie sich diesen Gedanken ausmalte. Abermals schüttelte sie den Kopf über sich selber. ‚Hör auf, dich verrückt zu machen!‘ schalt sie sich selber.
Dann stand sie auf, ging zurück in ihr Zimmer und versuchte möglichst leise zu sein, um Lucia nicht zu wecken. Sofern diese überhaupt schon schlief.


Als Lucia in aus ihrem Schlaf hoch schreckte, war von ihrer Zimmergenossin noch nichts zu sehen. Ein kurzer Blick von ihr zeigte der rothaarigen Frau, dass Leanoras Schlafstätte noch völlig unberührt war.
‚Ob sie wohl gleich bei ihm nächtigt?’ ging es ihr sofort durch den Kopf, wobei sich ein schelmisches Grinsen auf ihre Lippen legte. ‚Das ist mir aber auch schon so eine.’
Lucia drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen, als sie die Tür hörte. Jemand versuchte sie möglichst leise zu öffnen und schlich anschließend ins Zimmer. Auch das Schließen des Zuganges erfolgte erstaunlich geräuschlos. Doch da sie ohnehin gerade nicht geschlafen hatte, nützte Leanora ihre Vorsicht nichts. Ruckartig richtete sich Lucia auf und starrte ihr Gegenüber im Dunkel des Raumes ins Gesicht, wobei ein seltsames Glitzern in ihren Augen lag.
„Sophia! Bist du das?“ fragte sie den Schatten an der Tür. „Komm her und setze dich zu mir. Und dann wirst du mir alles erzählen, ja? Ach, ich platze vor Neugierde. Na los, sag mir alles, was vorgefallen ist!“


„Huch!“ Leanora stieß einen kurzen leisen Schrei aus und ließ beinahe das Buch fallen, als sie Lucias Stimme aus dem Dunkeln vernahm. Sie war so darauf konzentriert keinen Lärm zu verursachen dass sie darauf nicht vorbereitet war.
„Lucia! Hast du mich erschreckt!“ lachte sie dann aber auf. „Sag bloß nicht, du bist die ganze Zeit wach gelegen?“
Nachdem die Zimmergenossin wach war, zündete Leanora eine Kerze an um etwas Licht in den Raum zu bringen. Sie ging zu ihrem Bett, legte das Buch auf dem kleinen Tisch ab und zog sich ihr Nachthemd an. Erst dann setzte sie sich auf ihr eigenes Bett, welches wieder unter der Last quietschte und lächelte Lucia an.
„Du bist ja neugierig“, grinste sie. „Es war unbeschreiblich schön Lucia. Er ist so charmant, wortgewandt, klug, liebevoll, aufmerksam. Dazu kommt, dass er einfach fantastisch aussieht, allein seine Augen! In denen kann man versinken, das sag ich dir. Stell dir vor, ich darf morgen Vormittag bei den Templern im Stall mithelfen, also habe ich endlich wieder mit Pferden zu tun! Ach, ich freu mich so! Und er hat einen wundervollen Flügel - sogar ein eigenes Musikzimmer! Das hättest du sehen sollen, alles sehr geschmackvoll ausgestattet, hochwertig, aber dezent. Wertvolle Gemälde, der Parkettboden ist ein Traum, und allein die Bibliothek umfasst unzählige Werke. Der Kommandant ist wirklich ein Schatz, er hat mir ein Buch geliehen über die Pferderassen von Thedas. Wusstest du, dass er Sengaal mit Vornamen heißt? Ich finde das passt zu ihm“, schwärmte sie.
Dieses mal war Leanora diejenige, die den Mund nicht halten konnte, und so sprudelten die Worte nur aus ihr heraus, Lucia hatte derweil keine Möglichkeit sie auch nur einmal zu unterbrechen.
„Also gut, der Reihe nach. Sein Diener, Fassian - übrigens auch ein sehr netter und wortgewandter Bursche - brachte Tee und Gebäck und ließ uns dann netterweise alleine. Dann haben wir zuerst hauptsächlich über Pferde und unsere Interessen geplaudert. Als wir das Buch studierten stand er hinter mir, ich glaube, es hat keine Taubenfeder mehr dazwischen gepasst. Er hat mir sogar zweimal meine Finger geküsst! Und meine Hand genommen, als wir ins Musikzimmer gingen. Aber halt, das war ja später. Jedenfalls fand ich seine Nähe sehr… angenehm.“
Leanora räusperte sich, da sie wirklich nicht wusste, wie sie dazu hätte sagen sollen. „Und er riecht gut. Oh, entschuldige, das gehört hier nicht her, also ich meine“, verhaspelte sie sich. „Wie auch immer, jedenfalls gingen wir dann ins Musikzimmer als er hörte, dass ich gerne singe. Und dann durfte ich auf dem Flügel spielen und singen, und er wird Bruder Castillá fragen, ob ich vielleicht im Chor mitsingen darf. Hab‘ ich erwähnt, dass er ein Schatz ist? Und gelacht haben wir auch zusammen, wir haben etwas gespielt was sich Mikado nennt. Hast du davon schon mal gehört? Es ist witzig, aber recht kniffelig. Natürlich habe ich haushoch verloren, aber es macht Spaß.“
Sie seufzte leise. Der Abend war viel zu schnell vergangen, und noch immer sah sie Sengaal vor sich. Wieder seufzte sie. „Lucia, sag mir, wieso konnte ich nicht vor einem halben Jahr oder so diesen Mann kennen lernen? Es ist so aussichtslos...“
fügte sie hinzu, mehr für sich, als für Lucias Ohren gedacht.


„Ich bin überhaupt nicht neugierig“, widersprach Lucia ihrem Gegenüber gespielt empört, bevor sie zu Grinsen begann. „Ich will nur alles wissen.“
Dann lauschte sie gebannt Leanoras Ausführungen, wobei ihr Grinsen immer breiter wurde und sie auch ein paar Mal kichern musste, während die blondhaarige Frau gar nicht mehr aufhörte zu erzählen. Als diese dann schließlich doch fertig und ihre Stimme wehmütig wurde, da lächelte Lucia ihr aufmunternd zu.
„Lass den Kopf nicht hängen, Sophia“, meinte die rothaarige Frau beruhigend, während sie aufstand und zu Leanora hinüberging. Sie setzte sich neben die Frau auf die Bettkante und nahm diese freundschaftlich in den Arm. „Es wird schon alles gut werden, Kleines. Und keine Angst. Ich werde niemandem von deinem kleinen Techtelmechtel mit dem Kommandanten erzählen. Und das solltest du auch nicht tun. Ich werde mir was einfallen lassen, hörst du? Wir sind doch Freundinnen, oder? Und als Freundinnen steht man sich doch bei, nicht wahr? Wirst schon sehen. Gemeinsam finden wir schon einen Weg, wie du mit deinem neuen Schatz zusammenkommen kannst. Also, verliere jetzt nicht den Mut. Andraste wird uns sicher beistehen.“
Lucia streichelte Leanora tröstend über den Arm, während sie die Frau aufmunternd anlächelte. „Und ich freue mich riesig für dich. Ich wusste doch gleich, dass du hier in der Kirche dein Glück finden würdest. Hätte nur nicht gedacht, dass es gleich unser süßer Kommandant sein würde, den du dir schnappst.“


„Ach Lucia“, meinte Leanora resignierend. Sie drückte Lucia kurz, dankbar um die aufmunternden Worte. „Ich denke schon dass wir Freundinnen sind, immerhin weißt du mehr von mir als sonst jemand. Zumindest würde ich mich sehr freuen, wenn du es so siehst“, lächelte sie die rothaarige Frau an. „Traurig bin ich nicht, dafür ist das Gefühl viel zu schön. Ich glaube, ich bin tatsächlich verliebt“, staunte sie über sich selber.
Trocken und mit einer Portion Ironie in der Stimme fuhr sie fort: „Ja, dass ich im Orden zufrieden sein werde, war mir schon bewusst, aber dass ich mich ausgerechnet hier verlieben würde, damit habe ich nicht gerechnet. Keine Sorge, Du bist die einzige, der ich das erzähle. Dafür steht für Sengaal einfach Zuviel auf dem Spiel - und für mich auch. Aber sollte sich das wirklich als die Liebe meines Lebens entwickeln, so kann ich ja nie mein Gelübde ablegen“, grübelte sie weiter.
„Dein Wort in des Erbauers Ohren, Lucia. Vielleicht legt der ja ein gutes Wort ein, dass doch noch alles gut enden wird? Und vielleicht merkt Renaldo mal, dass Charakter mehr zu bieten hat als ein schönes Gesicht. Ich würde es dir so vergönnen, wenn du auch glücklich wärst“, seufzte Leanora.
Dass sie ohnehin nie im Sinn hatte, eine richtige Ordensschwester zu werden, verschwieg sie. Eine gemeinsame Zukunft war relativ aussichtslos, zumindest zum jetzigen Standpunkt der Dinge. Und ob es später leichter sein würde, war fragwürdig.
Sie drückte die neue Freundin noch einmal liebevoll, bevor sie sagte:
„Ich glaube, wir sollten den Rest der Nacht noch nutzen und versuchen, zu schlafen, oder was meinst du? Wobei ich überhaupt nicht müde bin, dafür geht mir gerade viel zu viel im Kopf um. Ich hoffe nur, du hast wenigstens schon geschlafen? Aber geweckt habe ich dich nicht, oder?“ sorgte sie sich. Sie hätte es bedauert, wenn sie Lucia ihren benötigten Schlaf geraubt haben sollte.


„Mach dir darüber keine Gedanken, Sophia“, winkte Lucia beiläufig ab. „Ich konnte ohnehin nicht richtig schlafen, bis ich nicht von ‚Sengaal‘ und dir gehört habe. Aber nun wird es wohl doch langsam Zeit für uns.“
Die rothaarige Frau gähnte theatralisch in ihre Hand hinein. Sie drückte Leanora noch einmal liebevoll an sich und gab ihr einen flüchtigen Schmatzer auf die Wange. „Und jetzt hör auf damit, vor dich hin zu grübeln, und versuche ein wenig zu schlafen, Kleines. Morgen sehen wir dann weiter.“
Lucia stand wieder auf und ging zu ihrer Schlafstätte zurück. Sie legte sich hin, rollte sich in ihre Decke ein und grinste Leanora noch einmal an. „Schlaf gut, Sophia und träum was Schönes. Gute Nacht.“
Dann machte sie die Augen zu, bevor sie kurz darauf auch schon einschlief.


Leanora lag indes in ihrem Bett, hatte die Augen geschlossen und sah das Gesicht des Kommandanten vor sich. Immer wieder rief sie sich Einzelheiten des Abends ins Gedächtnis, bevor sie letztlich doch der Schlaf übermannte.
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