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 Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano

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Allie
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BeitragThema: Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano   Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano EmptySa 23 Jul 2011, 1:53 am

Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano

Aktive Charaktere: (Hennrik), Leanora, Lian, Miandra, Vernita

Ihre Schritte hallten laut durch den langen Korridor. Der Gang war leer und wurde nur von einigen Fackeln erhellt. Wertvolle Bilder und Wandteppiche hingen an den Mauern. Vereinzelt standen hier und dort einige Bänke mit kleinen Beistelltischen.
Die schwarzhaarige Frau beeilte sich. Auf ihrem Gesicht lag ein gehetzter Ausdruck. Sie musste mit ihm reden. Sofort. Er musste es erfahren. Ihr aller Leben hing davon ab. Sie hatte ihr Pferd zu Tode geschunden, um so schnell in Denerim anzukommen. Und nun kam er Augenblick der Wahrheit. Sie trat ihm gegenüber.
Sie öffnete die schwere Tür, die von zwei Wachen flankiert wurde. Sie hielten die Frau nicht auf. Sie wussten, wer sie war und dass er sie erwartete. Ohne zu zögern betrat sie sein Arbeitszimmer.
Der Raum wurde durch mehrere Lampen erhellt. Die Wände waren fast vollständig mit hohen Bücherregalen zugestellt. Es gab noch eine Sitzgruppe mit einem niedrigen Tisch dazu. In der Mitte des Zimmers stand ein mächtiger Schreibtisch. Hinter diesem saß er auf einem breiten Stuhl mit hoher Lehne. Als die Frau eintrat, stand er auf und musterte sie aus funkelnden Augen. Sie trat vor den Tisch und kniete sogleich nieder. „Mein Herr.“
„Was habt Ihr zu berichten, Eshtá?“ Der Mann hatte eine tiefe, drohende Stimme. „Sprecht!“
„Mein Herr, das Attentat schlug fehl“, erwiderte Gianauro und sah von unten hinauf in das dunkelhäutige Gesicht des Mannes. „Außerdem wurde unsere Operation in Lothering gewaltsam beendet. Ich fürchte, dass niemand dort den Angriff überlebt hat.“
„Verdammt noch mal!“ schrie der Mann die schwarzhaarige Frau an. „Bin ich eigentlich nur noch von Schwachköpfen umgeben. Muss ich mich wirklich selbst um alles kümmern! Ist Euch eigentlich klar, was Königin Anora mit uns anstellen wird, wenn sie erfährt, was wir hier tun. Und das ist noch gar nichts, verglichen mit dem, was er uns antun wird, wenn diese Operation fehlschlägt!“
Gianauro blickte nur zu Boden und hoffte, dass dies bald vorbei sein würde. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ihr Herr ihn erwähnte. So sehr sie ihren Herren auch respektierte und fürchtete. Es war nichts gegen die Gefühle, die er in ihr auslöste. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, wenn sie nur daran dachte. Ein Blick in seine Augen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
„Ich will den Kopf dieser Elfe und ihrer Begleiter auf einem Pfahl in meinem Garten stehen sehen!“ tobte der Mann weiter, wobei er mit seiner rechten Faust auf den Tisch schlug. Dadurch kippte ein Tintenfass um. Und die dunkle Flüssigkeit breitete sich wie Blut auf der Platte des Möbelstückes aus. „Nun verschwindet endlich und kommt erst zurück, wenn die Sache erledigt ist!“
„Ja, Herr“, brachte sie nur hervor, bevor sie eiligst den Raum und anschließend auch das Anwesen verließ. Sie wusste genau, was jetzt zu tun war. Sie durchquerte viele Straßen und Wege Denerims, bis sie vor einem alten, heruntergekommenen Haus stand. Ohne Anzuklopfen trat sie ein.
Der Raum, den sie betrat war leer. Auf dem Boden war ein Pentagramm aufgemalt. An den Wänden waren Abbilder von Drachen und Schlangen förmlich in de Stein gebrannt. Sie leuchteten in einem dunklen orangefarbenen Ton und bildeten so eine schwache und zugleich die einzige Lichtquelle des Zimmers.
„Wo seid Ihr? Zeigt Euch!“ rief Gianauro in das Halbdunkel hinein. Sogleich wurde ein Vorhang auf der anderen Seite des Raumes zu Seite geschoben und eine Person in einem langen, schwarzen Mantel trat ein.
„Habt Ihr nach mir gesucht?“ fragte der Mann mit verzerrter Stimme.
„Es gibt etwas zu tun, Magier!“


„Verstecke dich hier, und reite zum Arl nach Denerim, wenn wir nicht überleben sollten, Leanora. Melde ihm, was hier passiert ist! Ich liebe dich, mein Mädchen!“
Lautlos liefen die Tränen über Leanoras Wangen. Es waren die letzten Worte, die sie von ihrem Vater gehört hatte. Er schob sie im Erdgeschoss durch die kleine Tür, die hinter einer Nische versteckt war, wo ein großer Wandteppich davor hing. Normalerweise hatten die Eltern dort einige Wertsachen versteckt, doch die Nische war groß genug dass eine Person dort Platz hatte. Der Ausgang führte durch den Kleiderschrank ins elterliche Schlafzimmer, war aber von dort aus nicht zu sehen, da die prachtvollen Gewänder der Mutter davor hingen.
Der letzte Schrei war verklungen. Leanora hörte vom Hof draußen gedämpft die Stimmen und brutales Lachen der Männer, die sie zuvor noch laut und deutlich direkt vor ihr aus dem Schlafzimmer vernahm. Kurz darauf hörte sie die Schafe angstvoll blöken und die Pferde panisch wiehern. Auch die Hühner gackerten aufgeregt, und ein Knistern drang an ihr Ohr.
„Kommt schon Männer! Wir haben alles was uns aufgetragen wurde! Lasst uns von hier verschwinden und der Herrin Meldung machen!“ Gleich darauf war das Getrappel von mehreren Hufen zu vernehmen, die eilig im Galopp davon stoben.
Leanora hörte ein angstvolles Wiehern. Das war Donas, Leas Fuchshengst. Ihn hätte sie aus tausend Pferden herausgehört. Der Schäferhund bellte und hatte es geschafft, sich von der Kette loszureißen. Kurz darauf krachte es, und wieder waren Pferdehufe zu hören. Donas hatte es wohl wieder einmal geschafft seine Boxentür zu zertrümmern, es wäre nicht das erste mal gewesen. Das Tier war extrem temperamentvoll und ließ sich nur von Leanora anfassen oder reiten.
Steifbeinig verließ Leanora ihr Versteck, angstvoll das sehen zu müssen, was sie zuvor gehört hatte. Ihr Blick fiel als erstes auf das Bett, und ein lautloser Schrei löste sich von ihren Lippen. Geschockt starrte sie auf das Bild, was sich ihr bot, um gleich darauf wie von Furien gehetzt aus dem Schlafgemach zu stürmen. Wo war Richard? Konnte der Bruder die Schwägerin schützen?
Sie riss die Tür auf, rannte die Stufen hoch zum Wohnbereich des Bruders.
„Richard? Janica?“ rief Leanora verzweifelt. Tief holte sie Luft bevor sie die Gemächer betrat.
Mit großen Augen blickte sie auf das Chaos, was dort vorherrschte. Der handgeschnitzte Sekretär war aufgebrochen, die kostbaren Gemälde aufgeschlitzt, die Brokat-Bezüge zerfetzt. Ihr Bruder lag unnatürlich verrenkt am Boden. Mit einem Satz war sie bei ihm.
„Richard? Oh nein...“ Ein Blick in sein lebloses Gesicht war mehr als sie ertragen konnte, aber sie musste es wissen: War wenigstens die Schwägerin unversehrt? Hoffnungsvoll stürmte sie ins Schlafgemach, auch dort war im Kleiderschrank eine Geheimtür eingearbeitet. Leanora musste jedoch nicht so weit laufen, um Gewissheit zu haben, dass diese Kerle auch Janicas Leben auf dem Gewissen hatten. Die Schwägerin lag auf dem Bett, rote Striemen über ihrem Bauch, ihr entblößter Körper voller Blut, die Beine und Hände festgebunden. Das hübsche Gesicht glich einer schwammigen Masse, die Wangen zertrümmert, das Nasenbein gebrochen.
Leanora gaben die Knie nach, sie schaffte es gerade noch zum Waschzuber, bevor sie sich übergab. Ihr Spiegelbild starrte ihr bleich und angstvoll entgegen, aus den lebensfroh blitzenden Augen war aller Funke verloschen.
Das Knistern war draußen nun deutlich zu hören, und als Leanora den Blick aus dem Fenster wandte, setzte ihr Herz aus. Aus dem Stall stiegen die ersten Rauchwolken auf, der Heuschober brannte bereits lichterloh. Das Tor zum Pferdestall war gesplittert, von den Pferden sah sie nur noch eine Staubwolke, die sich hinter den panisch flüchtenden Tieren herzog. Soweit Leanora es sehen konnte, liefen alle hinter Janicas Schimmelstute her, nur Donas war in eine völlig andere Richtung aufgebrochen, gefolgt vom laut bellenden Schäferhund.
Hilflos lief sie laut schluchzend in ihr Zimmer. Wie sollte sie nun nach Denerim kommen?


Als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont auftauchten, wachte Vernita auf. Sie setzte sich ruckartig auf und sah sich um. Miandra und Lian öffneten auch so langsam die Augen. Nur Hennrik schlief immer noch den Schlaf des Gerechten. Der Mabari schnüffelte an einem Busch, bevor er diesen markierte.
„Hey, aufwachen, alter Mann!“ rief die Elfe und warf einen kleinen Stein nach dem Magier, der ihm am Ohr traf.
„Wie? Was? Wo?“ stammelte Hennrik und schreckte auf. „Ach so. Ja. Alles klar.“
Die vier saßen noch eine Zeit lang schweigend am erloschenen Lagerfeuer und aßen noch etwas, bevor Vernita wieder das Wort ergriff. „So, auf mit euch. Es geht weiter. Und Ihr, Lian versucht Eure Schwerter etwas im Zaum zu halten. Das Letzte, was wir gebrauchen können wenn wir Denerim erreichen ist unser Bild auf einem Steckbrief, weil wir Euretwegen wegen Mordes gesucht werden.“
Der Elf grummelte daraufhin etwas, worauf Vernita aber nicht weiter einging. Danach setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung. Vernita wie immer vorne weg, gefolgt von Miandra und Lian samt dessen Mabari, während Hennrik die Nachhut bildete.


Plötzlich tauchte direkt vor der Gruppe ein Fuchshengst auf, gefolgt von einem laut bellenden Schäferhund. Der Hengst war im vollem Galopp durch den Wald gebrochen, die Augen panisch aufgerissen, die Ohren angelegt. Das Tier war wunderschön, ebenmäßige weiße Fesseln zierten die zierlichen Füße. Der Kopf hatte eine schmale gleichmäßige Blesse. Selbst jemand, der nichts von Pferden verstand, musste sehen, welch edles und temperamentvolles Tier hier auf dem Weg auftauchte.
Donas scheute und sprang zur Seite, als er die Gruppe sah, blieb aber stehen, wobei er jedoch unruhig umher tänzelte. Misstrauisch blickte er auf die Gruppe, er mochte keine Menschen. Der Schäferhund hechelte, froh um eine kleine Pause, und lief vertrauensvoll auf die Gruppe zu. Als er den Mabari erblickte sträubten sich seine Nackenhaare, aber er setzte sich mitten auf den Weg und hob seine Pfote. Seine treuen Augen fixierten die Elfe, die allen voran lief.


„Lasst mich nach dem Pferd sehen“, rief Hennrik von hinten, als er dieses zusammen mit dem Schäferhund aus dem Wald brechen sah. Langsam und bedächtig ging er auf das Tier zu, während er leise unverständliche Worte murmelte, die der Hengst allerdings zu verstehen schien. Er wieherte ein paar Mal, während er mit dem Kopf nickte. Der Magier erreichte das Pferd und strich im mit der Hand sanft über dessen Hals. Das Tier blieb ganz ruhig. Vermutlich hatte der alte Mann es mit irgendeinem Zauber belegt.
Vernita wandte sich stattdessen an den Hund, da sie von diesen Tieren ohnehin weit mehr verstand als von Pferden. Sie hielt dem Rüden ihre Hand hin. Dieser schnüffelte daran, bevor er anfing ihr die Finger abzulecken.
„Na, du bist mir ja ein ganz Lieber, mein Kleiner“, lobte die Elfe den Hund, während sie vor ihm in die Hocke ging und den Hund streichelte. „Wo kommst du denn her?“
Der Schäferhund bellte kurz, bevor er von Vernita abließ und in den Wald zurücklief. Die Elfe stand auf und sah dem Rüden hinterher. „Er will anscheinend, dass wir ihm folgen. Scheint ein cleveres Kerlchen zu sein, fast so schlau wie ein Mabari. Also los, kommt mit.“
Die Elfe rannte dem Hund hinterher, gefolgt von ihren Gefährten. Hennrik bildete dabei wieder einmal das Schlusslicht, wobei er das Pferd mit sich führte. Eine Zeit lang kämpften sich die vier durch das Dickicht des Waldes, bis Vernita der Geruch von Feuer in die Nase kroch und sie kurz darauf eine Rauchsäule vor sich erkennen konnte. Sie zog sogleich ihre Schwerter.
„Gebt Acht“, flüsterte sie den anderen zu, als sie gemeinsam den Waldrand erreichten und sich ihnen ein Bild der Verwüstung bot. Auf dem ganzen Hof lagen Leichen, nach der Kleidung zu urteilen die Knechte und Mägde des Hofes aber auch einige Männer in Lederrüstungen waren darunter. Einige der Toten waren ziemlich verstümmelt worden und fast alle der Frauen schienen zudem noch geschändet worden zu sein. Ebenfalls lagen auf dem Hof etliche Tierkadaver. Der Stall, der Heuschober und die Quartiere des Hofpersonals standen lichterloh in Flammen. Nur das Herrenhaus an sich schien unversehrt zu sein. Es roch nach Feuer und Verwesung.
Als Vernita das sah, fiel ihr Blick sofort auf Miandra. Sie wusste schließlich von dem, was die Frau in ihrem Heimatdorf selbst miterlebt hatte. Dieser Anblick musste sie unweigerlich daran erinnern. Miandra war blass wie ein Leichentuch und ihre Augen blickten leer und ausdruckslos.
„Es ist wohl besser, Ihr bleibt hier“, bemerkte die Elfe, wobei sie der schwarzhaarigen Frau an der Schulter berührte, doch diese schien das gar nicht mitzubekommen. „Ich bin gleich wieder da.“
Vernita löste sich aus der Deckung und stürmte sogleich auf den Hof, wobei sie sich ständig nach irgendwelchen Feinden umsah. Sie konnte allerdings niemanden mehr ausmachen. Anscheinend waren die Angreifer inzwischen weitergezogen. Lian und der Mabari folgten der Elfe, während Hennrik bei Miandra am Waldrand zurückblieb.
Innerhalb weniger Minuten hatte sie den Hof überquert und stand nun vor dem Herrenhaus. Mit einem wuchtigen Tritt brach sie die Tür aus den Angeln. Direkt vor ihr lag die Leiche eines Mannes, der wohl von mehreren Schwerthieben zugleich getötet worden war. Sein Blut verteilte sich über den Hausflur, während seine toten Augen die Decke anstarrten. Die Elfe sah sich um, konnte aber niemanden entdecken. Doch dann hörten ihre feinen Ohren ein leises Schluchzen.
Vernita durchsuchte die Räume des Hauses, bis sie schließlich auf eine blondhaarige Frau traf, die auf ihrem Bett saß und unentwegt weinte. Sie schien die Elfe nicht einmal zu bemerken, als diese zur Tür hereinkam. Sie hatte ihr Gesicht in ihren Händen vergraben und schluchzte einfach weiter.
Vernita steckte ihre Schwerter weg, trat zu der Frau, packte diese höchst unsanft an den Schultern und schüttelte sie durch. „Was war hier los? Hört endlich auf zu flennen, und erzählt mir, was hier passiert ist!“


Leanora schrie wie am Spieß, als die Elfe sie an den Schultern rüttelte. Sie hatte die Elfe nicht kommen gehört, dementsprechend hatte sie sich erschrocken.
Als der Schreck nachließ, fing sie sich jedoch wieder und blickte der Fremden in die Augen.
„W…w...wer seid Ihr?“ stammelte Leanora. „Wie kommt Ihr hierher?“ Sie schüttelte den Kopf und schluckte. „Was passiert ist? Männer... die kamen, plünderten unsere Vorräte, schlugen die Knechte nieder. Mein Vater hat mich versteckt und gebeten, nach Denerim zu reisen, dem Arl zu berichten, sollte die Familie nicht überleben. Was genau passiert ist weiß ich nicht, aber...“ Wieder schossen die Tränen in die Augen. Leise flüsterte sie: „...aber ich habe gehört, was sie mit meiner Mutter gemacht haben. Vater hat wohl versucht, sie zu beschützen und wurde gnadenlos ermordet. Das gleiche Schicksal ist meinem Bruder und dessen Frau widerfahren. Ich … ich habe alles verloren. Der Hof steht in Flammen, ich kann von Glück sprechen, dass es noch nicht aufs Herrenhaus übergegriffen hat, aber was sollte ich allein schon ausrichten? Und mein Pferd ist auf und davon, weiß der Erbauer, wie ich nun nach Denerim kommen soll. Die Eltern... ich kann sie auch nicht so liegen lassen. Aber ich kann es nicht. Ich schaffe das nicht.“
Leanoras Blick schweifte in die Ferne und fixierte irgendeinen Punkt auf der gegenüberliegenden Wand. Dann griff sie in ihre Nachttisch-Schublade, holte ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich.
Sie fühlte sich leer und erschöpft. Wieso sie der Elfe dies alles erzählte wusste sie nicht. Normalerweise war sie nicht so Vertrauensseelig Fremden gegenüber. Dennoch, sie hatte alles verloren, und im Moment war es ihr herzlich egal, was mit ihr passierte.


Lian und sein Mabari folgten Vernita, bis sie bei der blonden Frau ankamen. Er war schockiert darüber, was hier passiert war. Überall stieg Rauch in die Luft. Aber am meisten wunderte er sich, wie das Pferd und der Hund darauf kamen, fremde Leute zu holen. Waren sie etwa so schlau, wie ein Mabari? Selbst Lians Hund blickte verdutzt und hielt an der Tür sozusagen Wache.
Er lauschte dem was die Frau Vernita erzählte, dann pfiff er.
„Na los. Worauf wartet Ihr denn noch? Wir müssen von hier verschwinden. Umsonst hätten uns Eure Tiere nicht geholt“, meinte er eilig. Gleich darauf glitt sein Blick zu Vernita.
„Nehmt sie auf das Pferd, dann laufe ich wieder. Es sei denn es gibt hier noch andere. Wo sind die Pferde?“


Miandra starrte gebannt auf das Haus. Bilder schossen ihr durch den Kopf, wie wenn sie alles direkt vor sich sehen würde. Die Leichen ihrer toten Nachtbarinnen. Blutüberströmt mit zerrissenen Röcken und Blusen. Offene Augen von Schreck erfüllt und Bleich. Der Geruch des Todes, welcher sie sonst nichtmehr kümmerte, stieg ihr in die Nase und ließ die Erinnerungen wieder erwachen. Plötzlich riss sie ein krachendes Geräusch aus den Gedanken.
Ihr Blick glitt zu dem Stall, welcher in Flammen stand. Einige Holzstücke waren gerade runter gebrochen und brannten neben dem Stall weiter. Doch die Tiere waren nicht mehr dort untergebracht, sonst hätte man diese gehört.
Sie näherte sich etwas dem Stall und sah die Abdrücke der Hufe, welche sich tief in den weichen Boden gegraben hatten. Die Tiere waren wohl rechtzeitig geflüchtet, doch man sagte, dass jedes Pferd von alleine zu seinem Stall zurückkehrt. Doch was tun diese wohl, wenn sie einen Aschehaufen wiederfinden?
Miandra drehte sich um und musterte den Fuchs. Ein edles Tier, so viel stand fest. War dies das Werk von Banditen? Oder wurden hier auch Kinder geraubt…?
Sie sprang aus ihrer Hocke auf und näherte sich der Tür, durch welche Vernita vorhin mit Lian verschwunden war – soweit sie das mitbekam.
Miandra wandte den Blick von den Toten schnell ab und folgte den Stimmen von Vernita und Lian, bis sie das Zimmer erreichte, wo sie diese vorfand.
Miandra musterte kurz die Überlebende, welche voller Tränen und Rotze im Gesicht war, und musste seufzten. Ja dies war bestimmt so eine verwöhnte Göre die immer nur den Dienern all die Arbeit machen ließ. Ja solche Frauen hatten sie auch in ihrem Dorf. Die schleppten irgendwelche Elfen an und tranken den ganzen Tag Tee – welchen sie nicht einmal selbst kochten - in der Sonne und lachten ständig über Ärmere die sich keine Sklaven leisten konnten - oder wollten.
Anstatt etwas zu der Frau zu sagen, wandte sie sich an Lian, da sie seine letzte Frage gerade noch vernommen hatte. „Die Pferde wollten gerade eine Tee Feier veranstalten, als es ihnen dann doch zu heiß in dem brennenden Stall wurde und sie allesamt weggelaufen sind…“ sagte sie sarkastisch und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.


„Macht hier nicht wieder so eine Hektik, Lian!“ fuhr Vernita den Elf an. „Schaut Euch lieber um, ob es noch andere Überlebende gibt, auch wenn ich nicht viel Hoffnung habe!“
Dann wandte sie sich wieder an die blonde Frau.
„Ein Pferd sagt Ihr? Wir haben einen Fuchshengst eingefangen, ist das Euer Gaul? Und nach Denerim sind wir ebenfalls unterwegs. Wenn Ihr wollt und vor allem wenn Ihr kämpfen könnt, dann könnt Ihr uns begleiten. Übrigens mein Name ist Vernita und dieser übereifrige Kerl heißt Lian. Und wie darf ich Euch nennen?“


Lian verdrehte seine Augen, und fuhr die beiden energischen, sturen, zickigen Begleiter von Weibsbildern an. „Leckt - Mich - Am - Arsch!“ dazu grinste und lachte er. So langsam hielt er das nicht mehr aus. Die beiden waren unerträglich!
„Wir sehen uns vor dem Tor in Denerim! Ich gehe vor: Tschüss ... die Damen!“ sagte er etwas verärgert, und verließ den Hof. Sein Hund ging ihm hinterher. Er ging an dem brennenden Stall vorbei, als er plötzlich eines der Pferde sah. Es stand einfach da, und fraß frisches grünes Gras. Es war schwarz - vermutlich ein Hengst. Hatte zudem eine lange Mähne.
Langsam näherte er sich dem Pferd, und stellte sich vor dieses. Seine Hand näherte sich langsam seinem Hals, und er streichelte das Tier behutsam. Das Pferd traute ihm, und wieherte leise, während es weiter fraß. Lian nutzte die Gelegenheit und sprang auf den Rücken des Pferdes. Es stellte sich kurz auf die Hinterbeine, und schon gab Lian ihm die Richtung an. Nach Denerim...


Das erste mal seit Vernitas Ankunft erhellten sich Leanoras Augen für einen kurzen Moment.
„Ein Fuchshengst sagt Ihr? Oh, das muss Donas sein! Aber dass er sich von Euch einfangen ließ ist mir ein Rätsel. Entschuldigt meine Manieren... mein Name ist Leanora. Es wäre traumhaft wenn ich mit Euch reisen könnte. Was den Kampf betrifft muss ich Euch leider enttäuschen. Ich kann zwar mit dem Bogen gut umgehen und hatte Fechtunterricht, aber ich habe noch nie gegen Menschen gekämpft. Dafür bin ich bei jeder Jagd dabei gewesen, und möchte behaupten, dass ich hier durchaus meine Qualitäten habe.“
Zaghaft lächelte sie die Elfe an. Ein winziger Hoffnungsschimmer tat sich hier auf, und wenn dieser Fuchshengst tatsächlich ihr Donas war... ihr Herz krampfte sich voller Freude zusammen.
„Dann werde ich wohl das Nötigste packen und mich reisefertig machen. Wenn Ihr hungrig seid, in der Küche sollte noch etwas Käse, Speck, Brot und Wein liegen. Sofern diese Kerle das nicht auch noch mitgenommen haben. Bedient Euch ruhig, ich komme sofort nach.“
Mit einem Kopfnicken wandte sie sich von Vernita ab und ging zu ihrem Schrank. Dort holte sie ihre Jagd-Ausrüstung hervor: Weiche, wildlederne Reithosen, die jedoch an den Knien und Oberschenkel gepolstert und geschützt waren. Einen leichten Rollkragen-Pullover, ihre Jacke, die sie zur Jagd trug. Auch diese war aus feinstem Wildleder, Schultern und Arme verstärkt gearbeitet, über der Brust waren kleine Kettenringe als zusätzlichen Schutz zu sehen. Ihr Köcher war noch mit Pfeilen gefüllt, der Bogen lag griffbereit daneben. Auch ihren Dolch schob sie ein, man konnte nie wissen. Normalerweise benutzte sie den zum Ausweiden der Tiere, und sie wollte sich nicht ausmalen, für was man diesen noch benutzen konnte - oder musste.
Als sie sich umwandte, mit ihrer Kleidung überm Arm, sah sie eine weitere Fremde, und hörte den Kommentar, den sie zu Lians Frage abgab.
„In der Tat, sie sind in ihrer Panik davongerannt. Ich weiß, sie werden zurück kommen und ihre Heimat nicht mehr finden. Aber ich schwöre beim Erbauer... wenn ich aus Denerim zurück komme, werde ich alles daran setzen, den Hof wieder aufzubauen.“
Leanora ließ ihre Sachen auf das Bett fallen und ging zu ihrer Wasch-Schüssel, um die Tränenspuren aus dem Gesicht zu waschen. Dann strich sie mit dem Kamm ein paar mal über ihre Haare, die sich an den Schultern leicht wellten. Letztlich nahm sie ein Samtband und band ihr Haar im Nacken zusammen.
Als sie sich wieder umdrehte, standen Vernita und die andere Frau noch immer im Türrahmen.
„Ihr entschuldigt? Ich würde mich gerne umziehen.“
Sie hoffte, dass die beiden den Wink verstanden. Sie war es nicht gewohnt, sich vor anderen umzuziehen, und allein der Gedanke dass sie sich vor den beiden entblößen sollte, trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht.


„Wenn Ihr mit einem Bogen umgehen könnt, dann ist das doch schon mal was“
, bemerkte Vernita etwas missmutig. „Und keine Panik, auf einen Menschen zu schießen ist eigentlich genauso, wie ein Reh zu erlegen. Sie bewegen sich nur etwas anders, sterben aber genauso schnell.“
Die Elfe beobachtete die blonde Frau, während diese ihre Sachen zusammensuchte. Als diese ihnen zu verstehen gab, dass sie jetzt lieber allein sein wollte, fing sie an zu grinsen.
„Was habt Ihr denn? Glaubt Ihr, wir gucken Euch was weg? Ihr dürftet nichts haben, was wir beide nicht auch haben?“ lachte sie dreckig. „Aber ich sehe schon, Ihr seid noch ein wenig schüchtern. Nun, das wird sich noch geben. Zumindest, wenn Ihr noch eine Zeit lang mit uns reist, nicht wahr Miandra?“
Die Elfe fing lauthals an zu lachen, bevor sie den Raum verließ. „Kommt, Miandra, lassen wir unsere Prinzessin allein, sonst sitzen wir nächstes Jahr noch hier. Schauen wir mal, ob wir noch einige brauchbare Vorräte finden.“


„Ja spätestens wenn Ihr in dem nächst besten See Euer Bad nehmen müsst.“ grinste Miandra Leanora an, bevor sie diese alleine ließen. Hoffentlich würde ihnen die zarte Frau nicht noch mehr Ärger bereiten als sie ohnehin schon hatten … Sie konnte nicht kämpfen, hat noch nie getötet …
Miandra sah die blonde Frau schon mit einem Messer an der Kehle vor ihnen stehen. Bedroht und als Geisel genommen von irgendeinem Bandit, der hofft dass sie sich um sie scheren würden …
In der Küche angekommen, fanden sie bereits geöffnete Schränke vor. Wer auch immer für dieses Massaker verantwortlich war, er hatte wohl gehofft hier etwas Wertvolles zu finden, da wohl nur wenig von den Lebensmitteln entwendet wurde.
Miandra stellte ihre Tasche auf einem Tisch ab, öffnete diese und begann die Schränke zu durchsuchen und Brauchbares in die Tasche zu werfen.


Leanora schloss die Augen, als die beiden ihr Zimmer verließen. Daran hatte sie gar nicht gedacht, dass sie während der Reise ja sicher nicht in Wirtshäusern oder Herbergen übernachten würden, so wie sie es von früher her gewohnt war, wenn sie mal mit den Eltern auf Reisen war. Nun, das war im Moment noch ihre geringste Sorge, sie würde das Problem lösen, wenn es anstand.
Schnell zog sie sich um und warf einige Kleidungsstücke in einen Leinen-Rucksack. Aus der Kommode nahm sie ihre Handschuhe sowie etwas Geld und auch etwas von ihrem Schmuck. Seltsam, dass die Männer nicht ihr Zimmer durchsucht hatten. Entweder hatten sie es übersehen, oder wurden bereits bei den Eltern beziehungsweise ihrem Bruder fündig nach dem was sie suchten. Leanora zuckte die Schultern, darüber zu grübeln war im Moment absolut müßig. Außerdem wollte sie nicht daran denken, was sie gesehen hatte.
Vielleicht war sie tatsächlich zu zart besaitet. Wie hätte sie auch anders sein sollen? Sie war in einem gut behütetem Elternhaus aufgewachsen, hatte bisher nie mit Gewalt zu tun. Das brutalste war noch, ein totes Tier auszuweiden. Und das spürte schließlich nichts mehr.
Seufzend nahm sie ihren Bogen und den Rucksack und ging in die Küche, trank einen Becher Milch und sah Vernita in die Augen. „Von mir aus kann es los gehen. Wie ich sehe, habt Ihr die letzten Vorräte bereits als Reiseverpflegung eingepackt. Aber um die Milch wäre es schade. Ich will sie nur kurz umfüllen, bin sofort wieder da.“
Schnell schüttete sie die restliche Milch in mehrere kleine Keramik-Flaschen, die mit einem Korken zugemacht wurden. Eine halbe, getrocknete Wurst hing noch in der Vorratskammer, die nahm sie auch vom Haken und steckte sie in den Rucksack.
Sie nickte Miandra und Vernita zu. „Dann lasst uns gehen.“


„Gut, dann machen wir, dass wir hier wegkommen. Wir haben uns viel zu lange hier aufgehalten“ erwiderte Vernita, nachdem sie die letzten Lebensmittel eingepackt hatten. „Und Euer Pferd ist draußen bei Hennrik. Er ist Magier, vielleicht ist das Tier deswegen nicht weggelaufen. Magiern habe ich noch nie über den Weg getraut.“
Die drei verließen das Herrenhaus und trafen dort auf Hennrik, der zusammen mit Leanoras Pferd auf sie wartete. Vernita blickte sich um, doch von Lian fehlte jede Spur.
„Wo ist denn dieser übereifrige Elf schon wieder hin?“ fragte die Elfe den Magier.
„Nun“, entgegnete dieser lang gezogen. „Er schnappte sich das letzte Pferd, das sich hier noch auf dem Hof befand und ist damit auf und davon.“
„Hmpf, Männer“, brummte Vernita, wobei sie die Augen verdrehte. „Dieser Kerl sollte mal eine kalte Dusche nehmen, um seinen Übereifer zu kühlen. Egal. Machen wir, dass wir hier wegkommen. Sattelt Euer Pferd, Prinzessin Lea und dann nichts wie weg.“
Da der Stall aufgrund der Flammen nun nicht mehr zu betreten war, musste Leanora auf das Übungszaumzeug samt Sattel zurückgreifen, welches über dem Zaun an der Pferdekoppel hing. Sie machte ihr Pferd relativ schnell Abreisebereit, obwohl die anderen ihr anmerkten, dass dies wohl normalerweise ihre Knechte für sie erledigten. Vernita wurde daraufhin etwas ungeduldig und ermahnte sie, sich zu beeilen.
Etwas später war sie dann schließlich soweit, und die vier verließen diesen Ort des Grauens, um ihren Weg nach Denerim fortzusetzen.


Leanora war glücklich, ihr Pferd unversehrt zu sehen. Beim Satteln bereitete ihr das Übungszaumzeug jedoch einige Probleme, ihre Hände zitterten dank der Anspannung sehr. Außerdem musste sie dabei noch einen Riemen umändern, das beanspruchte Zeit. Hätte sie auf die normale Trense und Donas Sattel zurückgreifen können, wäre das alles kein Problem gewesen.
Doch war es dann soweit, Donas stupste sie mit seiner Nase an.
„Was meinst du Donas, lässt du den alten Mann auf dir reiten?“ Das Pferd spielte neugierig mit den Ohren, Lea befestigte ihren Rucksack am Sattel und bot Hennrik an, aufzusteigen.
Dieser verneinte lachend. „Ich mag ja alt aussehen, aber momentan bin ich noch gut zu Fuß. Wenn meine Knochen müde werden komme ich aber gerne auf das Angebot zurück.“
Leanora nahm Donas am Zügel, sie wäre sich blöd vorgekommen, wenn sie als einzige hoch zu Ross gewesen wäre.
Nachdem sie den Hof überquerten und am Waldrand standen, drehte sie sich noch einmal um.
„Ich werde zurückkommen. Wenn ich Euch gerächt habe“ flüsterte sie leise. Still schickte sie ein Gebet zum Himmel, und dachte voller Dankbarkeit an ihre Familie.
Dann folgte sie vertrauensvoll den neuen Begleitern, ruhig und in sich gekehrt. Dabei versuchte sie, die grauenvollen Bilder und Schreie aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie wollte ihre Angehörigen in Erinnerung behalten, wie sie diese vierundzwanzig Jahre lang gekannt hatte, und nicht geschändet und brutal ermordet.
Nach kurzer Zeit stieß der Schäferhund dazu, im Maul die Reste eines Kaninchens, und ging neben Leanora her. Sie hoffte, dass die anderen nichts dagegen hatten, wenn er sie begleitete. In Denerim würde sie versuchen, eine neue Bleibe für Nero zu finden.


Miandra musterte während des Gehens die Neue, sagte jedoch nichts. Sie hatte keine Fragen, da sie die Antworten schon vermutete, und sie diese nur verärgern würden. Doch vielleicht würde sich das Ganze noch als witzig herausstellen. Ja, Miandra empfand leichte Schadenfroheit, obwohl sie die junge Frau nicht kannte.
Doch wieso kein Mitleid? Sie kannte Leanora nicht, und diese verlor gerade ihre gesamte Familie, welche sie bestimmt mehr geliebt hatte, als Miandra die ihre jemals hätte lieben können. Wahrscheinlich war es genau das. Ja, sie erfreute sich daran, wenn Menschen die noch nie gelitten haben, auch einmal Schmerz erfuhren.
Sie starrte Leanora weiterhin von der Seite an. Eine gepflegte Jagdausrüstung, die wohl noch nie schmutzig gewesen war. Die Sonne ließ ihre blonden Haare Silber glänzen. Und sonst hatte sie ein bezauberndes Gesicht, welches wohl jedem Mann den Kopf verdrehen konnte, wenn sie wollte. Eine von Erbauer gesegnete junge Frau.
Trotz alledem empfand sie keinen Neid. Es war eher eine Art von Hass… In Leanora sah sie all die Reichen und Adeligen, die glaubten etwas ganz Besonderes zu sein. So besonders, dass sie andere ihre Arbeit machen ließen…
Nein, inzwischen war sie sogar froh, dass das gesamte Dorf niedergebrannt wurde, samt der Leute, die keine Schuld trugen, auch wenn sie glaubte sich mit einigen davon gut verstanden zu haben… waren es überhaupt Freunde? Sie wusste es nicht recht… zumindest hätte sie diesen noch eher ein Überleben gewünscht als ihrem Mann.
Ihre Gedanken schweiften wieder einmal ab, so dass sie gar nicht bemerkte, dass sie Leanora noch immer anstarrte.


Leanora war selbst in Gedanken versunken und bemerkte lange nicht, dass sie von Miandra angestarrt wurde. Erst nach einiger Zeit bemerkte sie es aus den Augenwinkeln, und konnte den Blick nicht zuordnen. War es Hass? Trauer? Wut? Leanora bekam eine leichte Gänsehaut. Sie hatte der Frau nichts getan, und verstand nicht so recht, wieso diese sie anstarrte wie eine Kuh die fünf Beine hatte. Durch den Blick wurde sie total verunsichert und senkte wiederum ihren Blick nach unten, als ob sie Donas Hufe begutachten würde.
Als sie wieder nach oben schaute, hatte Miandra noch immer diesen seltsamen Blick.
Leanora fasste sich ein Herz:
„Ich weiß nicht wieso Ihr mich so bitterböse anblickt, Miandra. Ich habe Euch nichts getan, und ich will Euch sicher nicht zur Last fallen. Ich bin mir auch nicht bewusst, dass ich Euch in irgendeiner Art und Weise beleidigt hätte. Ich wäre nur froh, wenn Ihr mir nicht Euer Messer in den Rücken rammt, wenn ich Euch diesen versehentlich zudrehe.“
In welche Runde war sie hier nur geraten? Die beiden Frauen wortkarg und zynisch, der Magier paffte seine Pfeife. Aber Nero und Donas trotteten den Frauen nach, und wäre Gefahr von ihnen ausgegangen, hätte einer von den Tieren Leanora sicherlich in irgendeiner Form davor gewarnt. Gerade Donas war in dieser Richtung sehr feinfühlig.
Durch diese Erkenntnis war sie etwas erleichtert. Aus dem Rucksack zog sie einige getrocknete Aprikosen hervor, und bot den Frauen und Hennrik davon an.


Plötzlich wurde Miandra aus den Gedanken gerissen, als sich Leanora zu Wort meldete. Sie selbst bekam gar nicht so recht mit, dass sie diese so lange angestarrt hatte.
„Ja Ihr habt garantiert noch nie jemanden etwas angetan.“ sagte sie mit einem leichten Grinsen und zwinkerte Leanora zu.
„Und nein ich denke mein ‚Messer‘, spar‘ ich mir für jemand anderes auf, keine Sorge…“
Mit einem Handzeichen und Kopfschütteln deutete sie, dass sie an den getrockneten Aprikosen nicht interessiert war. Anschließend blickte sie wieder nach vorne und abwechselnd auf den Boden. Sie hatte keine Lust sich mit der Frau zu unterhalten.


Vernita lehnte das Angebot Leanoras ab. Sie hatte momentan keinen Hunger, und außerdem kannte sie die blonde Frau noch nicht gut genug, um von ihr irgendwelche Lebensmittel anzunehmen. Sie glaubte zwar nicht, dass diese vorhatte, sie zu vergiften, aber sie vertraute nun mal keinen Fremden. Und diese Gewohnheit ließ sich nicht so einfach ablegen.
Die vier marschierten weiter Richtung Denerim. Schweigend, denn sie hatten sich eigentlich nichts zu sagen. Vernita interessierte sich nicht für Leanoras bisheriges Leben, und diese schien auch keine Traute zu haben, um die Elfe nach dem ihren zu fragen. Solange sich ihr Neuzugang als nützlich erweisen würde, dürfte sie mit ihnen reisen. Sollte sie allerdings für Ärger sorgen, so würde diese verwöhnte Göre, für die sie Vernita hielt, die Elfe mal von ihrer unfreundlichen Seite her kennen lernen. Und die endete eigentlich immer tödlich.
Der Tag zog weiter ins Land, während die vier der Handelstraße in die Hauptstadt Fereldens folgten. Es war ruhig und friedlich. Die vier hingen ihren eigenen Gedanken nach. Erst gegen Nachmittag wurde Vernita hellhörig, als ein Trupp Soldaten ihnen auf der Straße entgegen kam. Ihr Anführer saß auf einem Pferd und war in einen roten Umhang gehüllt. Trotzdem konnte die Elfe erkennen, dass der Mann da drunter eine schwere Plattenrüstung trug. Als er die vier erreicht hatte, hielt er sein Pferd an und hob dabei seinen rechten Arm, woraufhin auch seine Gefolgsleute augenblicklich stoppten.
„Macht Platz für den Abgesandten des Arls von Denerim!“ verkündete der Mann auf dem Pferd, wobei seine Stimme hinter seinem Vollhelm dumpf und verzerrt klang. „Wir sind auf der Suche nach einigen Verbrecherbanden, die hier in der Gegend Dörfer und Höfe überfallen sollen, um diesen den Garaus zu machen! Könnt Ihr uns dazu vielleicht nähere Informationen geben, gute Leute?“


Leanora stutzte als sie die Worte vernahm. Der Arl wusste also schon, dass mordende und plündernde Männer unterwegs waren? Sie trat einen Schritt vor.
„Jawohl mein Herr. Ich bin eigentlich auf dem Weg, um dem Arl von den Vorkommnissen zu berichten, die mir heute widerfahren sind. Wenn Ihr noch ein gutes Stück weiter reitet werdet Ihr sicherlich noch Rauchsäulen sehen. In den frühen Morgenstunden kamen zwei Dutzend Männer auf unseren Hof geritten, plünderten die Vorräte, schändeten die Frauen. Was diese mit meiner Mutter und meiner Schwägerin angestellt haben will ich nicht näher erläutern, aber es war grauenvoll. Die Männer wurden abgeschlachtet wie Schweine… und…“
Leanoras Stimme begann verdächtig zu zittern, sie biss sich auf die Unterlippe um nicht schon wieder zu weinen zu beginnen. Tief holte sie Luft um weiterzusprechen.
Etwas gefasster fuhr sie fort: „… letztlich setzten sie die Stallungen in Brand. Ich habe von meinem Versteck nur gehört, dass einer der Männer sagte, sie hätten alles was ihnen aufgetragen wurde und wollten der Herrin Meldung machen. Dann verschwanden sie genauso schnell wie sie zuvor auftauchten. Ich weiß nicht, in welche Richtung sie geritten sind. Aber die Stimmen würde ich sofort wieder erkennen und wahrscheinlich auch einige der Männer.“


„Ja, das ist sehr interessant, werte Dame“, erwiderte der Mann auf dem Pferd, während er sich vom Rücken des Tieres schwang. Seine Plattenstiefel krachten auf den Boden und stoben kleine Dreckwölkchen in die Luft. Zwei Männer in Kettenrüstungen traten sofort vor und folgten dem Ritter, als dieser auf die vier zuging. Während er sich Leanora näherte öffnete sich sein Umhang leicht und gab den Blick auf einen flachen türkisfarbenen Opal frei, der an einer einfachen Goldkette um den Hals des Mannes hing. Vernita zuckte unmerklich zusammen und kniff bei dem Anblick sofort die Augen zusammen.
„Dann gebt mir bitte eine Beschreibung der Männer und teilt mir mit, was Euch sonst noch zu der ganzen Sache einfällt, werte Dame“, redete der Ritter weiter, während er immer noch auf die Leanora zukam. „Aber zuvor nennt mir bitte Euren Namen.“
„Mein Name ist Vernita!“ mischte sich die Elfe ein, als der Mann sie passierte. Dabei legte sie ihm die rechte Hand auf die Schulter. „Und Ihr scheint da etwas unter Eurem linken Arm zu haben.“
„Was, was meint Ihr?“ erwiderte der Mann überrascht, während er den Kopf wandte und seinen Arm hob.
Die Elfe zog mit ihrer linken Hand eines ihrer Schwerter und rammte es dem Ritter unterhalb seines Armes von der Seite her in seinen Brustkorb, dort, wo seine Rüstung am Schwächsten war. Schmerzerfüllt keuchte er auf, als die Klinge in seinen Körper eindrang.
„Ach, das war nur mein Schwert, du mieser Bastard!“ fauchte Vernita, als sie die Waffe wieder aus ihrem Opfer herauszog und in der selben Sekunde herum kreiselte, wobei sie ihr blutverschmiertes Kurzschwert im Halbkreis herum sausen ließ. Die Klinge schlitzte sogleich die Kehle einer der beiden Wachen auf, die dicht hinter dem Ritter standen. Er griff sich an den Hals, während das Blut aus der Wunde spritzte, und er röchelnd zu Boden ging.
Die zweite Wache wollte gerade zu ihrem Schwert greifen, als sie der kräftige Tritt Vernitas auf die Straße beförderte. Bevor dieser hätte wieder aufstehen können, war die Elfe schon über ihm und schlug ihm mit einem einzigen Hieb den Kopf ab.
Sofort wandte sich Vernita wieder an den Ritter, der nach ihrem Angriff auf die Knie gesackt war, die Hand auf die Wunde gepresst. „Du miese kleine Schlampe!“ zischte er böse. Die Elfe trat nur wortlos hinter ihn, bevor sie ihm den Helm vom Kopf riss. Ein mittelblonder Mann kam darunter zu Vorschein. Ohne zu zögern fuhr sie dem Ritter mit ihrem Kurzschwert über den Hals und schnitt ihm kurzerhand die Kehle durch. Nur ein erstickter Laut drang über seine Lippen, als er vergeblich versuchte, die Blutung mit seinen Händen zu stoppen.
„Dieser Kerl gehört zu Gianauros Männern!“ rief sie ihren Gefährten zu, wobei sie ihr zweites Schwert zur Hand nahm. „Macht euch kampfbereit! Das wird sicher nicht einfach!“
Die Elfe kreiselte herum, wo sie auch schon die Soldaten des Ritters erblickte, die mit gezückten Waffen auf die vier zugestürmt kamen.


Miandra kramte schnell das Gift, welches ihr Vernita einige Tage zuvor gegeben hatte, aus der Tasche. Sie tropfte es auf die Dolche, welche von der klebrigen Masse umschlossen wurden und nun einen leicht grünlichen Schimmer zeigten. Inzwischen hatte Vernita bereits den Ritter, sowie die zwei Wachen auf dem Gewissen. Miandra blickte auf und sah bereits weitere Ritter auf sie zukommen.
Einer aus den hinteren Reihen blieb festgefroren stehen, und wurde kurz daraufhin von einer Blitzkugel getroffen, die über den Köpfen der anderen hinweg flog. Der Mann wurde von dem Blitz geschüttelt, sodass sogar leichter Rauch aufstieg und er kurz darauf zu Boden fiel.
‚Ja, Magier sind mächtig‘, dachte Miandra nur als ihr inzwischen ein Langschwert entgegen sauste. Sie wich dem Angriff aus, indem sie sich leicht zur Seite bewegte. Ein weiterer Schlag, welchen sie mit den Dolchen zügelte, folgte gleich darauf. Der junge Ritter war recht flink, doch sie spürte eine leichte Unsicherheit ihres Gegenübers. Er hatte scheinbar erst selten gegen Frauen gekämpft. Sie duckte sich ein weiteres Mal und ließ den Dolch ihrer Rechten, direkt in seine Magengegend schnellen, und wehrte einen eher schwachen Angriff mit der Linken ab. Plötzlich blieb ihr Gegenüber einfach stehen, als könne er sich nicht mehr bewegen und begann schmerzerfüllt zu schreien.
Ein leichtes Lächeln legte sich über Miandras Lippen. ‚Das Gift war echt Gold wert‘, dachte sie, trat schnell einen Schritt näher an den Mann, schnitt ihm mit der Linken die Kehle durch, und zog mit der Rechten den Dolch wieder aus seinem Magen. Galle floss dabei aus seinem Magen, und Blut bespritzte sie, wie eine Fontäne die aus seiner Kehle strömte. Sie wandte den Blick zur Seite, um nicht im Gesicht getroffen zu werden, und versetzte dem bereits toten Mann einen Schubser, sodass er zu Boden fiel, und sich dort bereits Sekunden später eine riesige Blutlache bildete.
Sie sah kurz einen weiteren Blitz mit ungeheurer Geschwindigkeit an sich vorbeischweben, nahm es jedoch eher in Zeitlupe wahr. Sie sah wie die Ritter in die Richtung von Hennrik liefen. Ja, sie wollten den Magier zu erst töten, da er die größte Gefahr darstellte. Einer der Ritter lief direkt an ihr vorbei, und sie stach ihm mit einer schnellen Bewegung in den freigelegenen Nacken. Auch er blieb schreiend an Ort und Stelle stehen, sodass sie auch hier nur noch sein Leben durch einen Schnitt an der Kehle beenden musste.
Ein weiterer eilte brüllend in ihre Richtung als merkte er, dass nicht nur der Magier gefährlich zu sein schien. Über Miandras Gesicht lag noch immer ein Lächeln. Sie wischte sich, wie wenn sie alle Ruhe und Zeit der Welt hätte, einige Blutflecken mit dem Arm aus dem Gesicht, holte aus und warf den Dolch direkt in die Richtung des theatralisch schreienden Ritters. Der Dolch schlug direkt in seiner Stirn ein und durchbrach den harten Knochen, sodass man ein eigenartiges Knacken vernehmen konnte. Der Mann ließ seine Waffen fallen. Blut lief ihm langsam über sein Gesicht, und seine Augen waren entsetzt aufgerissen. Nur einen kurzen Moment darauf, fiel er zu Boden. Miandra schnellte auf ihn zu und zog den Dolch aus seinem Kopf, wodurch nun noch mehr Blut auf den Boden floss.
Sie drehte sich um, und blickte zu Hennrik, welcher all die Ritter die sich in seine Nähe begaben am Boden festgefroren hatte. So standen die Ritter einfach da, wie Trauben die man nur noch pflücken musste. Mit einem leicht verrückten Lächeln eilte sie in die Richtung und half dem Magier, die einfachen Todesstöße zu versetzen.


Leanora war entsetzt. Hatte die Elfe den Verstand verloren? Wie konnte diese die Abgesandten des Arls einfach angreifen? Am liebsten hätte sie sich aus dieser Auseinandersetzung rausgehalten, aber sie konnte gar nicht, weil einer der Soldaten direkt auf sie zustürmte. Donas legte die Ohren an und hob warnend seinen Hinterhuf. Leanora zog geistesgegenwärtig ihren Dolch aus dem Gürtel und nahm ihn fest in die Hand, blieb aber stehen. Der Kerl rannte ohnehin auf sie zu, ein hämisches Grinsen im Gesicht und sein Kurzschwert auf sie gerichtet.
Lea trat einen Schritt rückwärts und duckte sich seitlich weg, als der Mann zustechen wollte. Mit einer schnellen halben Drehung brachte sie sich an den Rücken des Mannes und zog ihm ihren Dolch seitlich über den Hals. Die Klinge war extrem scharf, und nachdem Leanora den gleichen Druck ausübte als würde sie ein Tier aufschlitzen, zierte eine tiefe Schnittwunde den Hals des Soldaten. Dabei musste sie auch die Hauptschlagader getroffen haben, denn das Blut schoss fontänenartig aus der Wunde. Angeekelt von ihrer eigenen Tat trat sie einen weiteren Schritt zur Seite, und sah nur noch, wie der Mann sein Schwert fallen ließ und sich mit den Händen um den Hals griff, die Augen ungläubig aufgerissen. Sein Gesicht nahm eine ungesunde Farbe an, und ein gezieltes Ausschlagen von Donas beförderte den Kerl zu Boden, mit der Nase nach vorne.
Sie kam nicht dazu, sich Gedanken zu machen, schon sah sie aus einiger Entfernung zwei weitere Soldaten auf den Magier zustürmen. Leanora nahm ihren Bogen zur Hand, spannte zwei Pfeile ein, wovon sie jeweils ein Stück der Feder abbiss, zielte und schoss. Wunschgemäß teilten sich die beiden Pfeile während ihres Fluges, der eine ein Stückchen links, der andere ein Stückchen rechts. Dass sie ihr Ziel nicht verfehlte merkte sie, als der linke im Laufen stehen blieb und den Pfeilschaft in seinem Oberschenkel umklammerte, dabei höchst undamenhaft fluchte. Den rechten hatte sie besser erwischt, dort sah sie den Pfeil seitlich im Brustkasten stecken.
Die anderen kämpften verbissen weiter. Sogar der Schäferhund stürmte auf einen am Boden liegenden Mann zu und biss ihn in die Kehle. Donas schlug aus, stellte sich auf die Hinterbeine und traf so den einen oder anderen Gegner relativ unsanft. Leanora rannte zu den festgefrorenen Soldaten beim Magier und schlitzte die Kniekehlen durch, so dass die Männer mit Sicherheit nicht mehr laufen würden. Töten wollte sie keinen, aber kampfunfähig machen würde es den anderen erleichtern.
Sie ließ erst davon ab, als sie merkte, dass sich die Reihen gelichtet hatten, und die paar wenigen kämpfenden Soldaten von ihrer Gruppe attackiert wurden.


Lian war noch nicht lange unterwegs und auch nicht sehr schnell. Zufrieden holte er einen Apfel aus seiner Tasche, und biss herzhaft hinein. Er war saftig, dazu knackig. Genauso wie ein frischer Apfel eben sein sollte. Doch dann hörte er etwas. Er zog die Zügel, um das Pferd anzuhalten. Dann lenkte er um, und hörte noch einmal genauer hin. Wenn ihn seine Sinne nicht täuschten, dann waren das Kampfgeräusche. Klingen die sich kreuzten und klirrende Laute von sich gaben.
„Hia!“ schrie er, um das Pferd anzutreiben, und schlug dabei leicht mit seinen Fersen in den Brustkorb des Tieres, damit es losrannte. Sein Hund lief neben ihm her, die Zunge raushängend, und am spurten. So galoppierte das Pferd los und als sich diesem ein Baumstamm in den Weg stellte sprang es hoch in die Luft, und warf Lian dabei fast ab. Mit Pferden hatte er nicht besonders viel Erfahrung. Umso schlimmer war der Schmerz zwischen dem Schritt als das Pferd wieder Boden unter den Füßen hatte. Egal. Stürmisch ritt er weiter.
Dann sah er sie. Den Magier, Vernita, Miandra und die adelige Frau, deren Namen er noch nicht wusste. Schnell sprang er von dem Pferd ab und zog seine Schwerter. Sein Hund lief voraus und suchte sich schon einen Gegner, den er wie immer durch einen Biss in die Kehle überwältigte. Lian lief zur Gruppe und begann zu fechten. Er war dicht neben Vernita, die gerade mit einem der Männer beschäftigt war. Doch anscheinend bemerkte sie nicht, dass sich hinter ihr ein weiterer näherte. Lian reagierte, und schlug dem Mann den Kopf ab, bevor er sein Schwert in Vernitas Rücken rammen konnte.
Lian grinste sie schelmisch an, und kämpfte weiter. Er suchte sich einen der stabileren Männer und ging wieder in den Angriff über. Der Mann holte mit seinem Schwert aus, Lian drehte und duckte sich dabei, sodass das Schwert des Mannes nur die Luft über seinem Kopf durchschnitt. Lian selbst stach zur selben Zeit mit beiden Schwertern in den Unterleib des Mannes. Dieser keuchte, und Lian zog seine Schwerter heraus. Da er geduckt war, spritze ihm das Blut direkt ins Gesicht. Er erhob sich, und stieß den Mann mit dem Fuß um. Danach wischte er sich einmal mit dem Handrücken über sein Gesicht, bevor er wieder zu den anderen eilte.


Vernita stieß gerade ihr Schwert in die Brust eines Soldaten, als sie merkte, dass sich ihr jemand von hinten näherte. Sie wandte kurz den Kopf und wollte sich gerade auf den neuen Angreifer stürzen, als ihr plötzlich Lian ins Auge fiel, der wie ein Irrer herangestürmt kam und diesem Mann kurzerhand den Kopf abschlug.
‚Was tut denn dieser Kerl schon wieder hier? Ich dachte, der wäre beleidigt von dannen gezogen’, dachte Vernita. Doch statt diesen impulsiven Gedanken auszusprechen meinte sie nur: „Danke, mein junger Herr Elf. Anscheinend seid Ihr doch nicht so unnütz wie ich zuerst dachte. Zumindest könnt Ihr kämpfen. Das ist immerhin ein Anfang.“
Sie grinste den Elf mit ihrem blutverschmierten Gesicht an, bevor sie sich wieder schreiend ins Kampfgeschehen stürzte. Sie tänzelte um ihre Feinde herum, während sie ihre Schwerter wie einen tosenden Wirbelwind durch die Luft sausen ließ. Sie schrie, tobte, fauchte und lachte. Das Abschlachten dieser einfachen Soldaten bereitete ihr Freude. Ihr Gesicht war von Wahnsinn verzerrt, als sie sich durch die Körper und Gliedmaßen dieser Menschen schnetzelte.
Diese Soldaten schienen gerade frisch ausgebildet zu sein. Sie waren plump und unfähig, für Vernita einfach keine Gegner. Sie war eine Kämpferin, eine Killerin. Fast ihr ganzes Leben lang hatte sie nur Schlachten gefochten und sie alle gewonnen. Sie war in ihrem Element. Es gab nichts anderes, was sie so gut beherrschte, wie das Töten. Solcher Abschaum könnte sie nie besiegen, sie hätten sie höchstens überrennen können. Doch dazu waren es einfach zu wenige.


Während Miandra die Kehle einer der eingefrorenen Männer durchschnitt, schielte sie zu Leanora hinüber. Sie verwundete einige der Männer an den Beinen. Eigentlich keine schlechte Idee, so konnten sie diese anschließend noch verhören, und ihnen erst dann die Kehle durchschneiden. Doch sie tat dies wohl nicht aus taktischen Gründen, sondern eher, da sie bereits bei dem Anblick des ersten Mannes, welchen sie – zu Miandras Erstaunen – die Kehle durchschnitt, aussah als müsse sie sich übergeben und hatte wohl nun eine leichte Hemmschwelle.
‚Oder eher eine große Hemmschwelle‘, wie Miandra ihren Gedanken ausbesserte.
Sie eilte stattdessen zu den anderen, und stellte erst jetzt fest, dass Lian mitkämpfte. Hatte er die Gruppe verfolgt? Oder war das auch nur ein Zufall? Wie auch immer, er war hier und tötete an ihrer Seite. Ein Kämpfer mehr, hieß weniger Gegner die über sie selbst herfielen.
Nachdem alle Ritter und Wachen tot zu Boden sackten – ausgenommen derer, die heulend am Boden lagen, und Leanora als Schlampe oder sonstiges bezeichneten, da sie ihnen die Kniekehlen durchschnitten hatte, und sie nun nicht mehr laufen konnten – vergewisserte sich Miandra kurz mit einigen Blicken ob einer der Gefährten verletzt schien, doch dem war nicht so. Entweder hatten sie mehr Glück als Verstand gehabt, waren wirklich allesamt bessere Kämpfer als diese Ritter, oder der Magier war eine stärkere Waffe als Miandra angenommen hatte. Im selben Moment ließ sich Hennrik zu Boden fallen, und begann mit Schweißperlen auf der Stirn seine Pfeife zu stopfen. Der Kampf hatte ihn wohl viel Kraft gekostet.
Sie wischte sich das Blut mit dem Arm vom Gesicht – oder versuchte es zumindest – und ging dann auf die jammernden Männer zu, welche nur einige Meter von Leanora – welche wie ein scheues Reh eher im Hintergrund des Geschehens stand, und Miandra das Entsetzen in ihren Augen lesen konnte - entfernt am Boden lagen. Insgesamt waren es vier, die noch am Leben waren.
Einer der Männer beschimpfte Miandra und sie verpasste ihm einen Tritt in die Magengegend, so dass er zusammenzuckte und wie ein räudiger Hund winselte.
Dann blickte sie zu Vernita und ein leicht amüsiertes Grinsen legte sich auf ihrem blutverschmierten Gesicht nieder. „Ich denke, das hier ist Euer Spezialgebiet, sofern Ihr denkt, dass diese Würmer hier etwas wissen könnten.“


An Leanora zogen die Worte vorbei ohne dass sie diese wahrnahm. Ihr zitterten die Knie, sie war kreidebleich und ihr war übel. Was beim Erbauer hatte sie nur getan? Sie unterdrückte das Würgegefühl, welches in ihr aufkam und ging mit wackeligen Beinen zu Donas, der noch immer wild mit den Augen rollte und schweißgebadet war. Sie tätschelte seinen Hals und vergrub dann ihren Kopf in seiner Mähne. Das beruhigte sie, und auch der Hengst entspannte sich langsam wieder.
Als sie innerlich etwas zur Ruhe kam, nahm sie einen Schluck aus dem Milchkrug, wanderte langsam zum nächsten Baum und setzte sich dort auf den Boden, den Rücken am Stamm angelehnt. Sie blickte nun mit einem verträglichen Abstand auf das Blutbad und begann am ganzen Körper zu zittern wie Espenlaub.


Zuletzt von Allie am Mo 25 Jul 2011, 12:37 pm bearbeitet; insgesamt 8-mal bearbeitet
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Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano Empty
BeitragThema: Re: Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano   Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano EmptySo 24 Jul 2011, 12:28 am

Nach einem kurzen, blutigen Gefecht waren alle Feinde niedergestreckt. Vernita ließ keinen ihrer Gegner am Leben. Doch anscheinend haben einige der anderen ein paar der Soldaten verschont. Die Elfe sah irgendwie keinen Sinn darin. Sie trat zu Miandra, die neben den Gefangenen stand.
„Gute Arbeit, Lian“, bemerkte sie noch zu dem Elf gewandt, während sie grinsender Weise an ihm vorbeiging. „Wenn Ihr jetzt noch Euren Übereifer zügeln könnt, so könnte ich glatt noch einen echten Meuchelmörder aus Euch machen. Aber lasst Euch das jetzt nicht zu Kopf steigen, ja?“
„Hat es einen bestimmten Grund, warum dieser Abschaum noch lebt?“ wandte Vernita sich schließlich an Miandra. „Ach, vergesst es. Ich übernehme das schon.“
Sie trat vor den ersten Soldaten und hielt ihm eines ihrer blutverschmierten Kurzschwerter unter die Nase. „Deine Herrin heißt Eshtá Gianauro und ihr wurdet hierher geschickt, um uns zu töten. Das weiß ich bereits. Also erzähle mir etwas neues, wenn du das hier überleben willst.“
„Was... was wollt Ihr wissen?“ stammelte der Mann, als er das Schwert und vor allem auch Vernitas Augen sah, in denen nur Kälte lag. Kälte und Mordlust.
„Warum lässt deine Herrin Kinder entführen? Und warum will sie unseren Tod? Und weshalb brennt ihr einfache Bauernhöfe nieder?“
„Ich... ich weiß es nicht, ehrlich! Ich schwöre es beim Erbauer, ich...“

Er kam nicht weiter, denn in diesem Moment hatte ihm die Elfe bereits den Kopf abgeschlagen und ging zum nächsten Gefangenen.
„Deine Herrin heißt Eshtá Gianauro und ihr wurdet hierher geschickt, um uns zu töten. Das weiß ich bereits. Also erzähle mir etwas neues, wenn du das hier überleben willst.“
„Nein, tut mir nichts! Bitte! Ich habe Frau und Kind und...“
Der nächste Kopf fiel in den Staub. Vernita war nicht überrascht. „Das sind Lakaien, mehr nicht. Die wissen rein gar nichts, außer dass sie uns töten sollten. Und dazu werde ich ihnen keine weitere Gelegenheit geben.“
Ohne weitere Fragen zu stellen, tötete sie auch noch die letzten beiden Soldaten. Anschließend ging sie zu dem toten Ritter zurück und wischte mit dessen Umhang ihre Schwerter ab. Nachdem sie diese weggesteckt hatte, nahm sie das Amulett des Toten an sich. Nach genauer Untersuchung sah sie auch das „E“, welches auf die Rückseite dieses Schmuckstückes eingraviert worden war. Sie hatte also recht.
Dann fiel ihr ein, was der Ritter gesagt hatte. War er wirklich im Auftrag des Arls unterwegs oder hatte er sie angelogen? Sollte er wirklich für den Arl von Denerim arbeiten, so wäre das gar nicht gut. Und was war mit Leanora? Wollte sie nicht zum Arl reiten? Wie passte das mit der Vernichtung ihres Hofes zusammen? Sie wollte es herausfinden. Auf der Stelle.
Die Elfe sah sich nach der blonden Frau um und erblickte sie auch gleich darauf. Sie hatte sich vor einen Baum hingesetzt. Sofort ging sie zu ihr hinüber. Als sie direkt vor Leanora stand, ging sie vor dieser in die Hocke und sah ihr fest in die Augen.
„So, meine kleine Prinzessin“, meinte die Elfe zynisch. „Es wird Zeit, dass wir uns unterhalten.“
Leanora sah ihr Gegenüber nur mit großen Augen an.
„Der Anführer dieser Männer hat behauptet, er würde für den Arl von Denerim arbeiten“, fuhr Vernita sachlich aber auch mit einem drohenden Unterton fort. „Vielleicht war das gelogen, aber vielleicht hat er doch die Wahrheit gesagt. Seine Aussage zu ignorieren wäre ein Risiko, das ich nicht eingehen werde. Denn auf der anderen Seite habt Ihr ja gesagt, dass Ihr zum Arl wollt. Also gehe ich davon aus, dass Ihr oder auch Eure Familie den Arl kennt. Welchen Grund könnte er also dafür haben, uns und auch Eure Familie zu töten? Denn ich glaube nicht, dass das Ganze hier ein Zufall ist. Also verratet mir, was Euch mit dem Arl verbindet. Und kommt nicht auf die Idee, mir irgendwelche Märchen aufzutischen. Wie Ihr gesehen habt, kann ich ziemlich unfreundlich werden, wenn jemand versucht, mich zu verarschen!“


„Keine Ursache“ grinste Lian Vernita entgegen. „Einen Meuchelmörder müsst Ihr nicht aus mir machen, das bin ich schon längst!“ lachte Lian, und zog seine Schwerter aus den Leichen. Danach ging er damit zu seinem Pferd und holte ein Tuch und seinen Wasserschlauch aus dem Rucksack heraus. Damit entfernte das Blut von seinen Klingen, und auch aus seinem Gesicht. Dann steckte er seine Schwerter wieder in die Scheiden, und zog sich wieder den Umhang um, Kapuze tief ins Gesicht.
Lian blickte zu den anderen. Er sah wie die blonde Frau so halb am Boden kauerte. Schien wohl ihr allererster Kampf gewesen zu sein. Nicht jeder verkraftete so etwas. Aber daran würde sie sich wohl oder übel gewöhnen müssen, wenn sie mit der Gruppe mit reisen wollte. Und töten, nun ja, das war ja nun wirklich nicht schwer.
So holte er eine kleine Phiole aus dem Rucksack. Darin befand sich starker Alkohol - für alle Fälle. Damit ging er zu den anderen, und überreichte sie der blonden Frau. „Hier. Für die Nerven!“ meinte er, und ging wieder ein paar Schritte zurück. Lian verschränkte seine Arme, und lauschte dem, was Vernita zu bereden hatte.


Leanora roch an der Phiole und verzog angewidert das Gesicht.
„Beim Erbauer, wollt Ihr mich umbringen? Was ist da drin?“ Sie gab ihm die Phiole mit einem Kopfnicken zurück.
Sie zitterte noch immer, wenngleich es langsam leichter wurde. Als Vernita sie ansprach, stockte ihr der Atem.
„Ihr! Wieso sollte dieser Mann gelogen haben? Erinnert Ihr Euch vielleicht daran dass er mich gerade zu den Vorkommnissen befragen wollte, bevor Ihr ihm Euer Schwert in den Brustkasten gebohrt habt? Und wer ist diese Eshtá Dingsda? Was soll dieser Ritter mit der Dame zu schaffen haben?“
Tief holte sie Luft. Sie verstand die Welt nicht mehr. Was wurde hier gespielt? Was hatte Vernita mit dieser Gianauro zu tun?
„Um Eure Frage zu beantworten: Ich habe den Arl nur ein einziges Mal gesehen, und da war ich noch fünfzehn Jahre jünger. Ich würde den Mann nicht mal erkennen wenn er vor mir stehen würde. Meine Eltern kannten ihn durch den Handel, den sie hin und wieder mit ihm betrieben. Dabei ging es meist um Pferde. Wie Ihr vielleicht erkennen könnt, ist Donas ein edler Hengst, von reinstem Blut, und es gibt einige Nachkommen von ihm.
Ich denke, mein Vater wollte, dass ich dem Arl Meldung mache, damit er eingreifen kann und diese Plündereien stoppt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er versucht hatte, uns umzubringen oder unsere Familie auszurotten. Was sollte es ihm bringen? Wenn meine Eltern vom Arl sprachen dann taten sie dies voller Achtung und ohne Angst. Verratet Ihr mir nun wieso Ihr diese Leute abgeschlachtet habt?“


„Sicher weiß ich, dass Ihr mit diesem Ritter über den Überfall auf Euren Hof gesprochen habt. Ich bin weder taub noch leide ich unter Gedächtnisschwund! Aber auf der anderen Seite habe ich auch erkannt, dass dies nur eine Finte dieses Ritters war, um unser Vertrauen zu gewinnen.“ Vernita legte eine kurze Pause ein, um ihre Nerven zu beruhigen. Sie musste erst wieder ihren Blutrausch in den Griff bekommen, in den sie fast immer verfiel, wenn sie einen Kampf bestritt. Doch da sie damit inzwischen schon viel Erfahrung hatte, dauerte dies nicht lang.
„Seht Ihr das hier?“ fragte sie dann und hielt Leanora das Amulett des Ritters vors Gesicht. „Anhand dieses Schmuckstückes habe ich den Ritter als einen von Eshtá Gianauros Gefolgsleuten erkannt, da nur sie etwas Derartiges tragen. Soviel haben wir inzwischen herausgefunden. Nur wer genau Gianauro eigentlich ist und was sie vorhat, wissen wir nicht. Ihren Namen kennen wir von einer Krähe namens Raswenjá Givanti, die für Gianauro anscheinend Kinder entführt hat. Was sie mit diesen Kindern vorhat, wissen wir auch nicht. Allerdings haben schon mehrere von Gianauros Leuten versucht, meinen Gefährten und mir ein schnelles Ende zu bereiten, so dass es eigentlich klar ist, dass dieser Kerl etwas Ähnliches vorhatte.“
Sie nickte bei ihren Worten in die Richtung des toten Ritters. „Wie dem auch sei, wir sind auf dem Weg nach Denerim, um herauszufinden, was hier eigentlich gespielt wird. Und sollte dieser Ritter tatsächlich für den Arl arbeiten, so wäre es sicher eine blöde Idee, wenn wir diesem einfach so einen Besuch abstatten würden. Dann können wir uns auch selbst gleich hier und jetzt die Kehlen aufschlitzen. Nein, ich werde zuerst meinen alten Kontakt in der Stadt nach den neuesten Informationen ausquetschen. Schließlich war ich selbst schon lange nicht mehr in Denerim. Wer weiß, was sich dort in der Zwischenzeit alles zugetragen hat. Und jetzt steht endlich auf. Wir müssen weiter.“
Die Elfe richtete sich wieder auf. „Ich werde Hennrik sagen, er soll Euer Pferd benutzen. Er ist schließlich nicht mehr der Jüngste und der Kampf wird ihn ziemlich erschöpft haben“, bestimmte Vernita zu der blonden Frau gewandt, bevor ihre Stimme wieder finster wurde. „Und noch etwas. Wenn Ihr weiter mit uns reisen wollt, Prinzessin Lea, so solltet Ihr Euch angewöhnen, unsere Feinde zu töten. Ich habe nicht vor, Euch ständig diese Drecksarbeit abzunehmen, klar?“


Mit offenem Mund hörte Leanora Vernita zu. Wenn die Elfe Recht hatte, dann schwebte sie selbst in höchster Lebensgefahr, und der Besuch beim Arl wäre definitiv tödlich. Aber dass der Arl und Gianauro gemeinsame Sache machten? Dass unschuldige Kinder entführt wurden, schlug dem Fass noch den Boden aus. Zum Glück gab es auf ihrem Gut derzeit keine Kinder, sonst hätten diese Männer wohl statt dem Korn und dem Wein die Kinder mitgenommen.
So ungern sie es sich eingestand, aber sie glaubte Vernitas Version. Hätte ihr jemand zu Hause von so einer Vermutung berichtet wäre sie wohl in schallendes Gelächter ausgebrochen. Aber Vernita hatte den Beweis auf der Hand.
„Natürlich kann Hennrik das Pferd haben, das hatte ich bereits heute Morgen angeboten. Und Vernita?“ Sie hielt einen kurzen Moment inne, um sich zu vergewissern, dass die Elfe ihr zuhörte, wenngleich auch mit völlig genervtem Blick. „Es tut mir leid. Ich wuchs behütet auf, hatte keinerlei Kontakt mit Gewalt oder Intrigen. Ich wurde auch von den Geschäften heraus gehalten, diese erledigten der Bruder und die Eltern. Was ich heute alles gehört und gesehen habe hätte ich noch gestern für absoluten Humbug gehalten. Aber es scheint, als wäre ich wohl in einem goldenen Käfig aufgewachsen.“ Sie nickte Vernita zu, damit war für sie die Diskussion beendet.
Leanora säuberte ihren Dolch mit einem Tuch und versuchte dabei, nicht daran zu denken, dass sie Menschenblut von der Klinge entfernte. Die Feinde töten. War das tatsächlich notwendig? Hatte nicht jedes Lebewesen ein Recht auf Leben?
In ihrem inneren Zwiespalt gefangen marschierte sie hinter Vernita und Miandra weiter. Sie grübelte, was den Arl so verändert haben konnte, sie kannte ihn nur gütig und gerecht.


Ein Schatten lauerte in den Büschen. Unbemerkt beobachtete er mit seinen funkelnden, blauen Augen den Kampf der Gefährten gegen die Soldaten, wobei er ständig mit dem Kopf schüttelte. Ein satanisches Grinsen lag dabei auf seinen Lippen, als er sah, wie der Trupp innerhalb weniger Minuten komplett ausgemerzt wurde.
„Gianauro sucht sich ihre Leute offenbar nicht nach deren Verstand aus“, lachte der kahlköpfige Mann in dem langen schwarzen Mantel. „Haben diese Narren tatsächlich geglaubt, sie könnten diese Elfe und ihre Gefährten mit so einem plumpen Trick überrumpeln. Diese Einfaltspinsel. Um solche Gegner zu bezwingen, bedarf es einer subtilen und hinterhältigen Methode. Und ich weiß auch schon, wie ich es anstellen werde. Also kommt nur, meine Freunde. Ich erwarte euch.“
Der Schatten wandte sich um und verschwand ebenso leise und lautlos im Wald wie er erschienen war.


Während Vernita und Leanora sich unterhielten, durchstöberte Miandra die Leichen. Mehr als ein paar Silberlinge trugen sie nicht bei sich, denn wozu auch? Anschließend überlegte sie, ob sie all die Toten einfach an Ort und Stelle liegen lassen, oder sie in den leichten Graben neben dem Weg werfen sollte. Doch eigentlich war es egal ob sie nun hier, oder einige Meter etwas versteckter lagen. Vermissen würde man die Kerle so oder so erst, wenn sie in Denerim angelangt sein würden.
Miandra lauschte dem Gespräch und bot Hennrik an ihm auf das Pferd zu helfen, doch scheinbar war es ihm schon peinlich genug das Tier zu beanspruchen, so dass er alleine auf das Pferd kletterte.
Der Geruch des Blutes, welches an ihrer Haut eintrocknete, stieg ihr in die Nase. Sie hatte fast vergessen, dass sich dieses auf ihr befand. Während des Gehens zog sie ein Tuch aus der Tasche, befeuchtete es mit Wasser ihres Trinkschlauchs und wusch sich damit das Gesicht, und anschließend säuberte sie oberflächlich ihre Dolche.
„Ich muss gestehen, Vernita, dass es mit Gift weitaus mehr Spaß bereitet.“ sagte sie zu der Elfe mit einem leichten Grinsen im Gesicht.
Ja inzwischen machte ihr das Töten Spaß. Sonst war ihr immer alles recht gleichgültig gewesen. Es war ihr egal, dass man sie schlug, es war ihr egal, wenn man über sie lachte. Sie empfand keinerlei Gefühlsregungen, auch nicht nachdem sie glaubte, ihr Leben hätte so oder so keinen Sinn mehr. Sie tötete aus Rache, anschließend um Hinweise zu finden, dann weil es ihr gleichgültig war, und nun aus Spaß. Ja sie sah es gerne, wenn sie winselnden und litten, und dem Tod geschockt ins Auge blickten. Oder war es eine indirekte Art von Rache?
Wie auch immer, sie schob den Gedanken beiseite, und steckte die Dolche in den Waffengurt. Dann blickte sie kurz nach hinten, wo Lian und Leanora - welche die Zügel des Pferdes in der Hand hielt - gingen. Doch anstatt sich erneut eine Meinung zu bilden, da diese eh immer auf das selbe hinaus kam, drehte sie sich wieder nach vorne, Richtung Nordosten, immer den Weg entlang.


„Ja, diese Gifte können einem das Töten sehr vereinfachen.“ erwiderte Vernita, während sie neben Miandra die Straße langmarschierte. Sie sah sich kurz um und bemerkte, dass Lian, Hennrik und Leanora in einigem Abstand hinter ihnen hergingen. Es war also eine gute Gelegenheit, um ungestört mit der schwarzhaarigen Frau zu sprechen.
„Ich hatte Euch doch von meinem Kind erzählt“, begann sie unvermittelt und erstaunlich ruhig und gelassen. Sie hatte kurz zuvor getötet und danach war sie immer sehr gelassen, ohne jede Emotion, so als hätte sie nicht nur Menschen sondern auch ihre eigenen Gefühle das Leben genommen. Es war also der beste Augenblick, um Miandra den Rest ihrer Geschichte zu erzählen, ohne wieder einen Wutanfall zu bekommen. „Der Vater meines Kindes, dieses miese Schwein, das sich ständig an mir vergangen hatte, holte mich zwar während meiner Schwangerschaft nicht mehr in sein Anwesen, er ließ mich aber trotz allem weiter beobachten. Ein paar Tage nach der Geburt meines Kindes, drangen sie schließlich in unser Haus ein...“

„Lasst mich das Kind sehen!“ brüllte der dunkelhäutige Mann mit dem Vollbart und drängte sich bis zur Kinderkrippe an Vernitas Eltern vorbei. Was er dann sah, ließ sein Blut in den Adern gefrieren. Der Säugling, welcher dort in einer Decke eingewickelt lag, hatte dieselben Gesichtszüge wie er selbst. Es war fast so, als würde er ein Spiegelbild seines jüngeren Ichs erblicken. Selbst die Ohren waren abgerundet wie bei einem Menschen statt spitz zulaufend wie bei einem Elfen. Nie und nimmer hätte er abstreiten können, dass dieses Kind sein Sohn war. Er zog seinen Dolch und hob ihn über das kleine Geschöpf, bereit die scharfe Klinge in den Körper des Kindes zu vergraben.
„Nein!“ schrie Vernitas Vater, wobei er auf den dunkelhäutigen Mann zustürzte. Dieser drehte blitzschnell seine Dolchhand zur Seite und stieß die Waffe in die Kehle des herannahenden Elfen. Der Mann kam mitten in der Bewegung zum Stillstand. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, während er nur röchelnde Laute von sich gab. Einen Augenblick später brach der Elf zusammen, und sein Blut verteilte sich über den schmutzigen Fußboden.
„Vater!“ kreischte Vernita, die die ganze Zeit über von vier Wachen festgehalten wurde und alles mit ansehen musste, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Auch Vernitas Mutter fing an zu weinen und zu schreien, als sie sah, wie ihr Mann getötet wurde. Doch bevor sie hätte auf seinen Mörder losgehen können, wurde auch sie von zwei weiteren Wachen ergriffen.
„Es wird Zeit, den Fluch dieser Familie ein für alle Mal von mir zu nehmen!“ rief der dunkelhäutige Mann und wandte sich wieder dem Säugling zu, der durch den Lärm wach geworden war und nun ebenfalls zu Schreien begonnen hatte. Der Mann hob den blutverschmierten Dolch. Einige Tropfen liefen daran herunter und fielen schließlich auf das schreiende Kind. Einen Augenblick später ließ er die Waffe hinunter schnellen. Die Klinge bohrte sich in das Fleisch des Kleinkindes, doch sein Schreien verstummte nicht. Der Mann hatte das Kind nicht richtig getroffen. Er hob erneut seinen Dolch und stach ein weiteres Mal zu. Dann noch mal und noch mal. Nach dem sechsten Treffer schließlich war das Kind tot.
„Du Mörder!“ kreischte Vernita, während der Mann den Säugling abschlachtete. Ihre Augen waren vor Schreck und Entsetzen geweitet. Ihr Gesicht eine Maske des Hasses. Sie versuchte sich loszureißen, doch sie kam gegen die Kraft der vier Männer nicht an. „Das wirst du büßen, du Bastard! Ich werde dich töten, Du Schwein! Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“
„Schafft die junge Elfe in mein Anwesen!“ befahl der dunkelhäutige Mann. „Und ihre Mutter hängt an den nächsten Baum! Ich werde diese Familie mit Stumpf und Stiel ausrotten!“
Die Wachen zerrten die beiden Frauen aus dem Haus. Draußen angekommen fesselten sie die Hände von Vernitas Mutter auf deren Rücken zusammen und legten ihr einen Strick um den Hals. Dann warfen sie das andere Ende des Seiles über den stabilen Ast eines Baumes, der direkt vor dem Haus stand und zogen die dünne Frau daran hoch. Nachdem ihre Füße in der Luft hingen und zu zucken begannen, banden sie das Seil an dem dicken Stamm des Baumes fest. Mit einem dreckigen Grinsen auf den Lippen standen sie vor der hängenden Elfe und beobachteten, wie diese langsam erstickte. Zuerst spannte sie noch ihren Nacken, wehrte sich so gut sie konnte gegen das Unvermeidliche, doch irgendwann ließ ihre Kraft nach und sie starb einen qualvollen Tod.

„Das Kind sah seinem Vater zum Verwechseln ähnlich“, fuhr Vernita fort, die für einen Moment an den schrecklichsten Tag ihres Lebens zurückdacht hatte. „Als mein Peiniger das sah, tötete er kurzerhand unser Kind. Er hatte wohl Angst vor der Schande oder was weiß ich. Dann brachte er noch meinen Vater um und ließ meine Mutter aufhängen. Ich selbst wurde in sein Anwesen gebracht und dort ausgepeitscht, gefoltert und vergewaltigt. Tag für Tag. Ich weiß nicht, wie lange ich seine Gefangene war. Tage. Wochen. Keine Ahnung. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Ich wollte nur noch sterben. Aber nicht ohne diesen Bastard mit mir zu nehmen.“
Sie hielt kurz inne und sah sich noch mal nach den anderen um. Sie wollte nicht, dass sie etwas von dem mitbekamen, was sie Miandra erzählte. Doch sie waren noch weit genug entfernt.
„An einem Tag simulierte ich eine Bewusstlosigkeit. Meine Sinne waren inzwischen so abgestumpft, dass ich rein gar nichts mehr fühlte. Meine Folterer machten mich los, und ich ließ mich zu Boden fallen. Dort fand ich einen alten rostigen Nagel, den ich mir unauffällig in den eigenen Arm trieb. Sie haben nichts davon gemerkt. Als sie mich später wieder aus meiner Zelle holen wollte, habe ich einen von ihnen diesen Nagel in sein Auge getrieben. Ich konnte ihn anschließend entwaffnen und beide Wachen töten. Und mithilfe einer ihrer Rüstungen drang ich in das Schlafgemach meines Peinigers ein und nahm grausame Rache an ihm. Eine Weile blieb ich noch auf seiner Leiche sitzen und wartete auf die Wachen. Ich hatte bekommen, was ich wollte und hatte nur noch den Wunsch zu sterben. Doch dann kam mir der Gedanke, dass dieser Bastard am Ende gewinnen würde, wenn sie mich erwischen und töten würden, also zog ich erneut die Rüstung an und schlich mich aus dem Anwesen.“
Die Elfe nahm einen Schluck aus ihrem Wasserschlauch ehe sie weitersprach.
„Ich ging zum Haus meiner Eltern zurück, um mir noch ein paar Sachen zu besorgen, bevor ich die Stadt verließ. Doch dort wurde ich von den Wachen gestellt, die mich auch nach einem harten Kampf überwältigten. Sie wollten mich ohne Prozess an den selben Baum hängen, an dem schon zuvor meine Mutter ihr Leben ausgehaucht hatte, doch bevor es dazu kam, mischte sich ein kräftig gebauter Mann ein, der wissen wollte, was hier los sei. Nachdem er sich beide Seiten angehört hatte, stellte er sich als Grauer Wächter vor und berief sich auf sein Recht jeden in seinen Orden aufnehmen zu können, den er wollte. So ließen mich die Wachen gehen, und ich wurde zum Grauen Wächter. Im Nachhinein betrachtet hätten mich die Kerle auch gleich aufhängen können, denn seitdem habe ich nichts anderes getan als für andere die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Auf der anderen Seite hätte ich Euch nicht kennen gelernt und könnte Euch dabei helfen, Eure Tochter wiederzufinden. So hat es sich wohl doch gelohnt, diesen Tag zu überleben.“
Ein leichtes Grinsen machte sich auf Vernitas Gesicht breit, als sie wieder zum Himmel schaute. Die Sonne sengte sich langsam zu Abend hin.
„Aber jetzt sollten wir uns allmählich einen Ort zum Schlafen suchen. Es wird bald dunkel.“


Miandras Hals schnürte sich zu, als sie Vernita lauschte. Jetzt waren alle Puzzlesteine komplett, und sie wusste, wie man sie zusammensetzte. Noch nie hatte sie jemand angetroffen, dem ein schlimmeres Schicksal als ihr selbst widerfahren war. Die wenigen Personen die der Elfe Liebe schenkten wurden alle kaltblütig ermordet, und ihr selbst prügelte man jeglichen Verstand und jegliches Gefühl, im wahrsten Sinne des Wortes, aus dem Leibe. Und sie durfte das Kind, welchem sie unter Qualen ein Leben schenkte, nicht einmal kennen lernen.
Und sie selbst? Sie wurde von ihrem eigenen Vater als junges Mädchen unzählige Male vergewaltigt, ihr Bruder starb vor ihren Augen, und seitdem wurde sie nur noch verachtet, von den eigenen Eltern wie eine Mörderin angesehen, ihr Mann schlug ihr jeden Tag die Augen und Wangen blau… doch das war nichts im Vergleich zu den Qualen der Elfe. Miandra durfte ihr Kind sehen, wie es von einem kleinen Geschöpf immer größer wurde, wie es laufen lernte, und sprechen. Wie es einen eigenen Charakter entwickelte, begann Wünsche und Ängste zu äußern.
Ja, ihre Tochter war der Grund, wieso sie so lange dort blieb. Sie wollte ihr ein normales Leben bieten, mit einer Familie, und Freunden… und nicht mit ihr durch Ferleden streifen in der Hoffnung dort ein besseres Leben zu finden.
Doch das hätte sie wohl lieber tun sollen, dann wäre sie ihr vielleicht nicht entrissen worden… sie verdrängte die Gedanken daran wieder…
Stattdessen drängten sich die Bilder immer wieder vor ihre Augen. Bilder von dem Säugling, wie sein kleines Herz durchbohrt wurde. Kaum das Licht der Welt erblickt, und schon wurde ihm dieses wieder qualvoll entrissen. Bilder von dem Mann, wie er Vernita den Dolch an die Kehle hielt und sich an ihr vergriff, und es genoss über jemand Schwächeren zu stehen – oder zu liegen. Bilder, als könnte sie die Elfe angekettet vor sich sehen, voller Blut und selbst jeden Schlag der Peitschen, welche einem die Haut aufrissen, spüren. Die Narben auf der Haut waren geringer, als die in ihrer Seele, und sie bewunderte Vernita dafür, dass sie ihr die Geschichte einfach so erzählen konnte.
Plötzlich fühlte sie sich schuldig. Schuldig sie darum gebeten zu haben, ihr bei der Suche nach ihrer Tochter zu helfen. All das weckte bestimmt all die grauenhaften Erinnerungen in ihr wider. Und nun auch noch Denerim… der Ort, an dem all das passierte.
All diese Gedanken schossen ihr in wenigen Sekunden durch den Kopf, und mit glasigen Augen blickte sie zu Vernita, wusste jedoch nicht was sie sagen sollte. Keines ihrer Worte würde das Vergangene Rückgängig machen. Zudem war sie noch nie in einer solchen Situation, bisher hatte ihr niemand eine solch tragische Geschichte aus dem eigenen Leben erzählt.
„Ihr müsst das nicht tun … Ich meine, Denerim.“ begann sie dann doch mit einer unsicheren jedoch behutsamen, sowie leicht flüsternden Stimme, mit welcher sie zuvor noch nie in Gegenwart der anderen gesprochen hatte, und legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. „Ihr müsst mir dabei nicht helfen, ich möchte nicht, dass Ihr das alles noch einmal gedanklich durchlebt, wenn wir in Denerim sind.“


„Ich danke Euch, für Eure Anteilnahme, Miandra“, erwiderte Vernita mit einem leichten Lächeln. „Denn ich weiß, dass Ihr es ehrlich meint, da Ihr ein ähnliches Schicksal wie ich erlitten habt. Und aus diesem Grund fühle ich mich auch irgendwie mit Euch verbunden. Ich kann es mir selbst nicht erklären. Seit dem Tod meiner Eltern und meines Kindes hatte ich dieses Gefühl nicht mehr.“
Unbewusst legte die Elfe ihren Arm um Miandras Schultern, so als wollte sie sie nie wieder loslassen.
„Nur in einem Punkt irrt Ihr Euch“, fuhr sie fort. „Ich muss das tun. Auch wenn es mir widerstrebt, an diesen Ort zurückzukehren, so habe ich dennoch keine Wahl. Und dabei geht es nicht nur um das Versprechen, das ich Euch gegeben habe, selbst wenn ich bedenke, dass ich mein Wort bisher immer gehalten habe. Nein, es gibt noch einen anderen Grund.“
Sie sah der schwarzhaarigen Frau fest in die Augen.
„Irgendjemand will meinen Tod. Noch bevor ich Euch getroffen habe, versuchten einige von Raswenjás Männern ein Attentat auf meine Gefährten und mich zu verüben. Und Gianauro war ebenfalls dort. Und ich glaube, sie werden erst Ruhe geben, wenn ich tot bin, doch diesen Triumph werde ich ihnen nicht gönnen. Also gehe ich nach Denerim und finde heraus, was es herauszufinden gibt. Und dann werden sich die Verantwortlichen für diesen ganzen Scheiß wünschen, dass ihre verkommene Mutter sie niemals ausgespukt hätte!“
Sie merkte, dass sie bei ihren letzten Worten wieder deutlich aggressiver wurde. So atmete sie ein paar Mal schweigend tief durch, um sich wieder zu beruhigen.
„Seht, dort könnten wir unser Nachtlager aufschlagen“, meinte sie nach einer kleinen Weile deutlich ruhiger, wobei sie auf eine kleine Lichtung wies, die unweit der Straße im Wald zu sehen war.


Miandra nickte Vernita zu, nahm die Hand wieder von ihrer Schulter und begann einige Äste und trockene Blätter, vom Boden einzusammeln, während sie in die Richtung der Lichtung durch den Wald marschierte. Dort angekommen, warf sie das Geäst zu Boden um daraus ein Feuer entzünden zu können.
Es war für Miandra nicht wirklich schockierend, dass jemand den Tod von Vernita wollte, denn sie war durchaus gefährlich und hatte bestimmt schon Unzählige auf dem Gewissen, trotz alledem war ihr bei dem Gedanken an Denerim nicht gerade wohl in der Magengegend.
Miandra entzündete das trockene Geäst mit einem Zündstein und ließ sich mit einem Seufzen zu Boden fallen. Hennrik stieg vom Pferd, lehnte sich an einen Baumstamm, und verdeckte mit seinem Hut seine Augen. Nachdem er noch einige Male an seiner Pfeife gezogen hatte, schlief er – samt der Pfeife im Mund – ein.
Eigentlich hatte sie vor etwas zu essen, doch irgendwie war ihr flau im Magen. Stattdessen schürte sie das Feuer, und pustete ab und an Luft in die entstandene Glut, um es daran zu hindern wieder zu erlöschen, denn ein kühler Wind zog über die Lichtung, und die Kälte der Nacht brach herein.


Auch Lian stieg von seinem Pferd. Er band es mit den Zügeln an einen dickeren Ast, der niedrig aus einem Baum heraus ragte. Dann nahm er den Rucksack von dem Pferd herab, und ging zum Lagerfeuer. Davor breitete er die Matte aus, und legte den Rucksack wieder an das Kopfende. Er setzte sich erst einmal auf die Matte. Müde war er noch nicht, und irgendjemand müsste ja Wache schieben. Sein Hund hatte es sich bereits bequem und dicht am Lagerfeuer gemacht. Mit dem Kopf über seinen Pfoten schlief der Mabari ein.
Verdutzt blickte Lian zu seinem Hund. Er hatte ihm noch keinen Namen gegeben. Da fiel ihm ein Name ein: Peligroso. Der Name kam aus dem Süden, und bedeutete so viel wie gefährlich. Also der Gefährliche. Das war ein perfekter Name für einen Mabari, der so gut wie jedem Gegner den Hals zerfetzte.
Dann blickte er in die Runde. Schnell wandte er den Blick wieder ab, denn er blieb bei Miandra hängen. Danach holte er sich wieder einen Apfel aus dem Rucksack, und begann diesen zu essen. Fleisch, hatte er keines mehr übrig und für eine Jagd war es nun bereits zu spät. Nachdem er den Apfel gegessen hatte, streifte er sich die Kapuze vom Kopf, und legte den Umhang ab. Starr blickte er weiter in das heiße, aufflammende Lagerfeuer.


Leanora war schweigend neben Lian gewandert, Donas am Zügel führend. Sie war noch immer völlig verwirrt, konnte sich keinen Reim darauf machen, und war wirklich gespannt, was sie in Denerim in Erfahrung bringen würden.
Als sie auf die Lichtung kamen seufzte Leanora unhörbar. Es war ihr schon klar, dass sie wohl keine Herberge mit einem Bett haben würden, aber eine Scheune, wo man im Stroh schlafen konnte, wäre ihr lieber gewesen. Sie sattelte Donas ab, legte den Sattel auf den Boden, dass dieser ihr als Kopfstütze dienen konnte. Die Satteldecke breitete sie am Boden aus als Unterlage. Der Gedanke, dass ihr Kopf direkt auf dem Boden liegen sollte, bereitete ihr Unbehagen. Wer wusste schon welches Viehzeug am Waldboden herumkrabbelte?
Sie sah, wie Vernita verächtlich die Nase rümpfte und Miandra nicht minder auf sie herab lächelte. Sogar Lian verkniff sich ein Lachen, aber es war ihr herzlich egal. Letztlich zog sie eine Wolldecke aus ihrem Rucksack und legte diese über die Unterlage. Unter dieser würde sie sich später verkriechen, ob sie schlafen konnte stand auf einem anderen Blatt.
Sie hatte Angst, dass sie dann die Bilder des Tages einholen würde, den Schock noch einmal durchleben musste.
Lustlos knabberte sie an einigen der Aprikosen während sie sich schweigend zu den anderen ans Lagerfeuer setzte. Zudem hatte sie die Karaffe mit Milch dabei, die sie durstig trank. Sie genoss die Wärme des Feuers, denn der Einbruch der Nacht hatte eine empfindliche Kälte mitgebracht.


Die vier saßen eine Weile schweigend am Lagerfeuer, während Hennrik an einem Baum lag und schlief. Vernita hatte ihre Schwerter gezogen und begann damit, diese mit einem Schleifstein zu schärfen. Sie hatte heute wieder einige Hälse durchgeschnitten, und sie wollte nicht, dass ihr das beim nächsten Mal nicht mehr gelang. Nichts war schlimmer für eine Kämpferin, als ein paar stumpfe Schwerter. Sie musste bei ihren Gedanken grinsen. Sie sah sich in der schweigenden Runde um und durchdachte ihre nächsten Schritte.
„Also“, begann sie, ohne mit ihrer Arbeit aufzuhören, geschweige denn jemanden anzusehen. „Wir werden bald Denerim erreichen. Sobald wir dort sind, werden wir uns ein Zimmer in der dreckigsten, schäbigsten und billigsten Taverne nehmen, die wir finden können.“
Ihr Blick fiel bei diesen Worten kurz auf Leanora.
„Das tun wir nicht nur, um Geld zu sparen, sondern vor allem, weil wir in einer billigen Absteige weniger Aufmerksamkeit erregen. Dort schert sich niemand darum, wer in den Nachbarzimmern haust, solange dieser nicht in seine Bude einbricht. Wir haben offenbar mächtige Feinde, die uns nicht schon bei unserer Ankunft bemerken sollen.“
Die Elfe prüfte die Schneide ihres Schwertes mit den Fingern, nickte zufrieden und nahm sich anschließend ihre zweite Waffe zur Hand.
„Ich werde dann meinen alten Kontaktmann in der Stadt aufsuchen. Es ist zwar schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal in Denerim war, aber er wird sicher noch dort sein. Er schuldet mir noch einen Gefallen, und wir werden von ihm sicher ein paar wertvolle Informationen erhalten. Während ich nach ihm suche, erwarte ich, dass keiner von euch auf irgendwelche dummen Ideen kommt und auf eigene Faust etwas unternimmt.“
Diesmal fiel ihr Blick auf Lian.
„Sobald wir wissen, was uns bevorsteht, können wir unsere weiteren Schritte planen. Hat irgendwer dazu eine Frage oder möchte sonst noch irgendeinen Kommentar abgeben.“ Bei ihren letzten Worten wurde sie wieder sehr zynisch.


„Ganz wie Ihr meint, Vernita. Ich hoffe nur, Euer Informant bezahlt nicht mit dem Tod durch Euch. Mit Verlaub, ich werde versuchen zu schlafen. Gute Nacht allerseits“ nickte Leanora den Frauen und Lian zu, ohne dass sich ihre Lippen oder ihre Augen zu einem Lächeln verzogen.
Langsam bemerkte sie, dass sie tatsächlich müde war. Die Aufregung hatte sie ganz schön geschlaucht und der Fußmarsch hatte sie zusätzlich erschöpft.
Sie tätschelte Donas noch einmal den Hals der sie nur leise anschnaubte, und kroch dann unter ihre Decke. Nero sprang neben sie und legte sich mit dem Rücken an sie gedrängt hin, als hätte er nur darauf gewartet. Ihr war es recht, sein Fell strahlte doch noch etwas Wärme des Feuers ab.
Kurz darauf richtete sie sich jedoch auf und zog ihre Jacke aus, welche sie über einen Ast hängte. In der Weste zu schlafen wäre einfacher, aber auch die Hosen waren noch recht unangenehm. So holte sie sich eine enge Wollhose und Socken, ging zwischen Donas und dem Baum um vor allzu neugierigen Blicken wenigstens halbwegs verborgen zu sein und wechselte die Beinkleider. Dann kuschelte sie sich endgültig in ihre Decke ein und starrte in den wolkenlosen Himmel.


„Ich werde damit bestimmt kein Problem haben, in der schäbigsten Taverne zu Schlafen. Aber...“, Lians Blick ging zu Leanora über, „... ich denke jemand anders, wird damit ein Problem haben“ Nun fing er schäbig zu kichern an, und hielt sich die Hand fest an den Mund gepresst, damit das Gelächter nicht auskam.
Lian schaute zu Miandra, die neben ihm saß. „Wie geht es Euch denn heute? Ich meine… freut Ihr Euch, das wir weitere Spuren finden, und Eurer Tochter immer näher kommen?“ fragte er behütet, und eher leise.
Nebenbei kraulte er seinen Hund am Kopf und den Ohren, die sich immer wieder aufstellten. Der Mabari war bis jetzt sein zweiter treuester Gefährte auf den er sich verlassen konnte. Wahrscheinlich war er dankbar etwas zu essen zu haben und auch wegen der Wunde an seiner Pfote. Lian interessierte nicht wem der Hund gehörte. Jetzt war er sein Begleiter, sein Freund, seine treue Seele. Mabarihunden konnte man immer mehr vertrauen als irgendeinem Menschen. Sie würden ihren Herren nie in den Rücken fallen.
Während Lian weiterhin ins Feuer starrte, dachte er an die vergangenen vierzehn Jahre. Schreckliche Zeiten, er schüttelte den Kopf, und versuchte so, den Erinnerungen zu entweichen. Aber bei dieser Stille gelang ihm das nicht wirklich.


Miandra seufzte, und begann sich die Augen zu reiben. Sie hatte zu lange ins Feuer gestarrt. Ein nur leichtes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, als sich kurz umdrehte und zu Leanora blickte, welche sich etwas abseits hinter einer aufgehängten Jacke versteckte.
„Natürlich wird sie damit ein Problem haben“, sagte sie kühl. „Aber sie kann sich glücklich schätzen, überhaupt noch am Leben zu sein.“
Sie wandte den Blick zu Lian, und musste einen Augenblick nachdenken. ‚Wie es ihr geht? Es wäre wohl am besten die Frage einfach zu übergehen‘, dachte sie sich.
„Ich denke nicht darüber nach, um ehrlich zu sein. Wie sollte ich mich über etwas freuen können, wo ich nicht einmal weiß, ob sie noch am Leben ist. Eigentlich wird mir das näher kommen immer unbehaglicher… da ich nicht weiß, was ich vorfinden werde.“
Etwas nachdenklich blickte sie wieder in die Flammen, und hielt es für das Beste, ein anderes Thema anzuschneiden. „Wie lange seid Ihr schon auf Reisen und in Euer Schwertkunst unterrichtet?“
Sie blickte erst nachdem sie ihm die Frage gestellt hatte in seine Richtung, jedoch war ihr Blick nicht neugierig, sondern gefühlslos, so wie fast immer.


„Ach so“ sagte Lian, nahm sich einen Stock und stocherte damit im Lagerfeuer herum. Er hatte bemerkt, dass Miandra die Frage umging, wie es ihr wohl gehen würde. Das war für ihn Antwort genug. „Wir werden sie schon finden.“
Dann seufzte er. Wie lange er auf Reisen war, und in seiner Schwertkunst geübt war? Jetzt war es soweit. Er würde ab jetzt nie mehr die Gedanken an seine Vergangenheit vergessen, würde täglich sämtliche Bilder vor seinen Augen sehen, die er am liebsten ausradieren würde aus seinem Leben. Doch so einfach war es nicht.
„Geübt und auf Reisen seit… ungefähr zehn Jahren. Das Kämpfen… brachte ich mir selbst bei… Hm…“ sagte er leise, stocherte weiter in dem Lagerfeuer herum, und blickte starr hinein.


Zehn Jahre… Vor zehn Jahren erfuhr Miandra, dass sie schwanger sei…
„Zehn Jahre… da habt Ihr bestimmt schon die ganze Welt gesehen!“ sagte sie etwas freundlicher.
Dann legte sie sich auf den Rücken und blickte zu den Sternen. Ja, der Himmel sah überall gleich aus, egal wie weit man reisen würde.


Lian setzte von der starren Grimasse ein leichtes Lächeln auf. „Nein, nicht die ganze Welt. Viel anderes… was man niemals sehen sollte. Ich… ach ich kann das nicht. Ihr habt eh schon viele Bilder in mir wieder hervorholen lassen. Die werde ich jetzt nie mehr los.“ sagte er und warf den Stock ins Feuer.
Dann winkelte er seine Knie an, und verschränkte seine Arme darauf.


Etwas überrascht über die Antwort setzte Miandra sich wieder auf, und blickte ihn leicht verwundert an. Doch dann erinnerte sie sich, an das was er ihr in der Taverne erzählt hatte. Scheinbar sah sie irgendeiner ehemaligen Freundin von ihm ähnlich, wie er behauptete. Es handelte sich dabei wohl um irgendeine Liebesgeschichte, doch auf dem Gebiet war sie nicht gerade eine Hilfe.
„Ich verstehe… Aber ich verstehe nicht, wieso Ihr es so weit kommen gelassen habt... Eure Gründe wieso Ihr mir bei der Sache helfen wollt, sind mir noch immer ein Rätsel.“
Es war ihr allerdings ein Rätsel, denn nur weil sie einer anderen Frau ähnlich war, war das wohl kein Grund Hilfe bei einer solch schwierigen Aufgabe anzubieten. Für einen Mann ließ er sich relativ leicht von Gefühlen steuern… so etwas war ihr bisher unbekannt, doch vielleicht waren Elfen ja in dieser Hinsicht anders.


Lian blickte zu Miandra auf, und seine Augen wurden schmal. Dann stand er selbst auf, und stellte sich ihr eng gegenüber.
„Ihr wollt es wirklich wissen hm? Wirklich? Das alles fing an als ich vierzehn Jahre alt war. Ich wurde selbst an Sklavenhändler und Adlige verkauft. Misshandelt, missbraucht, zum Gelächter anderer benutzt. Und das von meiner eigenen Familie! Danach, habe ich sie getötet, da war ich neunzehn. Ja ich habe sie umgebracht! Und im gesamten Gesindeviertel in Tevinter war ich der Böse, der Schuldige. Nur sie stand zu mir, und unterstütze mich! Also sind wir aus dem Gesindeviertel geflohen!“ Er kniff sich die Finger über dem Nasenbein zusammen, und schloss schmerzhaft die Augen.
Mit dem Fuß stieß er etwas Erde ins Lagerfeuer, so dass einige Funken sprühten. Dann packte er seinen Umhang, und ging ein Stück tiefer in den Wald hinein, wo er sich an einen Baumstamm lehnte.


„Er ist ein Mann“, mischte sich Vernita in das Gespräch ein, die soeben ihre Arbeit an ihrem zweiten Schwert beendet hatte. „Habt Ihr schon mal einen Mann gesehen, dessen Handlungsweise für ein rationell denkendes Wesen nachvollziehbar wäre? Also, mir ist noch keiner begegnet. Sicher, Eure Familie hat Euch verraten. Das ist... bedauerlich, aber keiner von uns hatte eine leichte Kindheit. Es sagt immer noch nichts über Eure Motivation aus, uns zu folgen.“
Die Elfe grinste, während sie ihre Schwerter wegsteckte. „Aber entschuldigt mich jetzt. Ich werde mich nun hinlegen und etwas schlafen. Gute Nacht.“


Als ihr der Elf so nahe kam, fasste Miandra bereits mit einer der Hände an den Griff einer ihrer Dolche. Scheinbar hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen, und langsam bereute Miandra es irgendjemanden Fragen zu stellen, und wusste nun auch wieder, wieso sie so etwas selten tat. Nun bekam sie eine wohl sehr kurze und aufschlussreiche Zusammenfassung des Lebens von dem Elf und wusste im ersten Moment nicht recht was sie davon halten sollte, da die Worte scheinbar erst noch ihren Verstand erreichen mussten.
Dennoch… sie ließ die Worte einige Augenblicke auf sich wirken, doch sie waren keine Antwort auf ihre Frage… er erzählte ihr eine Geschichte, die sie gar nicht hören wollte, denn der Grund, wieso er nun hier war und ihnen helfen wollte, stand noch immer Leer im Raum – oder in dem Fall im dunklen Wald.
Doch Vernita hatte recht, er war ein Mann, und bisher verstand sie keine Handlungsweisen von Männern.
Wenn er nicht so schnell gesprochen und anschließend in den Wald gelaufen wäre, hätte sie wohl etwas dazu gesagt, doch sie würde ihm bestimmt nicht hinterherlaufen.
Miandra seufzte und ließ die Hand von ihrem Dolch, als sie bemerkte, dass sie diesen noch immer umklammerte. „Gute Nacht, Vernita.“ sagte sie und ließ sich wieder auf den Rücken fallen.
Sie blickte noch kurz zu den Sternen hinauf und ließ die Lebensgeschichten die man ihr erzählt hatte auf sich wirken, doch als sie schlussendlich wieder bei ihrer eigenen ankam, schloss sie die Augen und schlief ein.
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BeitragThema: Re: Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano   Kapitel X - Der Fall des Hauses Bardigiano EmptySo 24 Jul 2011, 4:58 pm

Nachdem Lian in den Wald gelaufen war und sich an den Baum gelehnt hatte, muss er wohl eingeschlafen sein. Es schien bereits früh am Morgen zu sein, als er wieder erwachte. Dunkelheit lag noch über dem Wald, doch es würde bald dämmern. Er streckte sich und gähnte. Das war nicht gerade die bequemste Art zu schlafen.
Doch dann fiel ihm wieder ein, was er gestern Nacht erzählt hatte. Was er Miandra erzählt hatte. Doch anscheinend verstanden sie es immer noch nicht. Er wusste, wie es bei Sklavenhändlern war. Und er wollte eben nicht, dass Miandras Tochter dasselbe oder etwas Ähnliches erleben musste. Denn so etwas hatte niemand verdient, egal ob Mensch, Elf oder Zwerg. Niemand hatte es verdient. Er seufzte. Vernita und Miandra sprachen von Männern, dass man diese nie verstehen würde. Aber sie selbst blickten nicht durch, und hatten wirklich von nichts Ahnung.
Er packte seinen Umhang und warf sich diesen über. Die Kapuze zog er wie immer in sein Gesicht. Es war sehr kalt und es fröstelte ihm ein wenig. Dann ging er wieder zurück zu den anderen und bemerkte, dass sie friedlich schliefen. Wie leichtsinnig. Keiner von ihnen blieb wach, um Wache zu halten. Was wäre gewesen, wenn sie überfallen worden wären? Lian schnalzte mit seiner Zunge und setzte sich auf seinen Baumstamm. Wartend, darauf das die anderen aufwachten. Er zog den Umhang enger zusammen, nahe an seinen Körper, und stütze seinen Kopf auf seinem Arm ab.


Leanora hatte erstaunlicher Weise relativ gut geschlafen. Irgendwann waren ihr die Augen doch zugefallen, und der Schäferhund neben ihr gab ihr Sicherheit. Nero würde sie wecken, wenn Gefahr drohte.
Sie blinzelte und gähnte unter vorgehaltener Hand. Ihr Genick schmerzte, der Sattel war eine schlechte Alternative zum weichen Daunenkissen, das sie normalerweise gewohnt war. Aber sie wollte sich nicht beschweren, es war besser als auf dem kahlen Boden zu liegen.
Leise stand sie auf, schüttelte die Decke aus und verstaute diese im Rucksack. Dann ging sie zu Donas und fuhr ihm mit einer weichen Bürste über den Rücken. Die Satteldecke wurde ausgebürstet, es nicht zu tun würde die Gefahr eines Satteldrucks enorm erhöhen.
Noch war es empfindlich kalt, der Tau glitzerte auf den Blättern und leichte Nebelschwaden hingen in der Luft. Darüber konnte Leanora aber bereits die Sonne hervor blitzen sehen. Sie ging ein Stück weiter den Wald hinein und verrichtete dort ihre Morgentoilette, mit taubehafteten Blättern machte sie sich sauber. Sie lauschte angestrengt, ob irgendwo ein Bach floss, hörte aber keinen.
Ihre Lederhose hatte sie mitgenommen, und zog sich noch an Ort und Stelle um. Erst als sie zurück zum Lager kehrte sah sie diesen Elf am Baumstamm sitzen. Zögernd trat sie auf ihn zu.
„Guten Morgen. Im Eifer des Gefechts gestern habe ich Euren Namen gar nicht erfahren? Ich bin Leanora, erfreut, Euch kennenzulernen.“
Sie holte den nächsten Krug mit Milch aus ihrer Tasche und etwas Brot und Wurst. Nero sprang hechelnd herbei und blickte sie aus treuen Augen an.
„Nichts da mein Freund, jag Dir Dein Frühstück selber“, lächelte sie ihn an.
Der Hunger war wohl noch nicht so groß, denn nach diesen Worten ließ sich der Hund vor Leas Füßen nieder.
Lea bot dem Elf den Milchkrug an.
„Bedient Euch, wenn Ihr einen Schluck mögt.“
Sie kaute andächtig an ihrem Brot und der Wurst und entspannte sich ein wenig. Für das, was sie bisher erlebte, war dies ein friedlicher Moment, und den wollte sie genießen.


Lian saß noch immer auf dem Baumstamm, als die Sonne mittlerweile aufging. Er hatte sich seither immer noch nicht bewegt und seinen Kopf immer noch auf seinen Händen abgestützt, so dass seine Handgelenke mittlerweile schmerzten. Er stand langsam auf und machte sich auf den Weg zu seinem Lager.
Dann bemerkte er, dass Lea ihn ansprach. Ohne eine Regung oder einen Augenkontakt, sagte er kühl: „Lian mein Name. Nein Danke, ich trinke keine Milch.“
Dann packte er seine Matte und rollte sie zusammen. Auch seinen Rucksack nahm er und ging mit seinen Sachen zum Pferd. Er packte alles schon mal darauf und befestigte es mit einigen Riemen. Dann klopfte er behutsam ein paar Mal auf den Rücken des Pferdes, und streichelte dessen Mähne.
Daraufhin ging er wieder zu dem Lager. Die anderen schliefen noch, also setzte er sich wieder auf seinen Baumstamm. Verklemmt und zynisch fragte er: „Und wie ist es so als Adlige? Man bekommt ja alles, wenn man Geld hat...“, dabei hatte er den Blick starr auf Leanora gerichtet.


Vernita richtete sich auf. Sie hatte den Elf schon herankommen hören, aber als dann auch noch Leanora dazu kam und ein Gespräch mit Lian begann, war ihr klar, dass es Zeit war aufzustehen. Vernita hatte einen sehr leichten Schlaf, so dass eigentlich nur wahre Profis es schaffen würden, sich der Elfe unauffällig zu nähern, während diese schlief.
„Habt Ihr den Weg zu uns zurückgefunden, Lian?“ wollte Vernita mit einem Grinsen auf dem Gesicht wissen. „Übernachtet Ihr immer lieber mitten im Wald anstatt neben einem warmen Feuer?“


Lian begann zu lachen, fing sich aber schnell wieder, um Vernita schief anzuschauen. „Ja wisst Ihr, der Wald ist sooo toll! Einfach atemberaubend. Aber beeilt Euch, wir wollen doch weiter ziehen oder nicht?“
Lian musste sich schon die ganze Zeit beherrschen. Vernita ging ihm mit ihrer sarkastischen Art und ihren Kommentaren richtig auf den Nerv. Aber er war ihr überlegen mit den Schwertern. Selbst wenn sie gut war, sie hatte Lian noch nie in richtiger Aktion gesehen. Daher beließ er es darauf, und drehte seinen Kopf wieder zur Seite.


„Ihr seid ein komischer Kauz, wisst Ihr das?“ erwiderte Vernita immer noch grinsend. „Erst erzählt Ihr uns Eure Lebensgeschichte und dann verkrümelt Ihr Euch in den Wald. Vorausgesetzt natürlich, dass Ihr uns die Wahrheit gesagt habt, was Eure Vorgeschichte betrifft. Ihr macht für mich zumindest nicht den Eindruck wie jemand, der eine solch traumatische Jugend hinter sich hat. Und ich muss es schließlich wissen, denn meine Jugend hätten die meisten wahrscheinlich nicht einmal überlebt.“
Die Elfe machte eine kurze Pause, während sie aufstand und zu Miandra hinüberging. „Normalerweise sind Personen, die als Kinder so etwas durchgemacht haben, wie das, was Ihr erlebt haben wollt, selbstbezogen, misstrauisch und voller Hass. Ihr hingegen scheint das genaue Gegenteil davon zu sein. Also habt Ihr uns entweder einen Bären aufgebunden oder Ihr habt trotz allem, was Ihr durchgemacht habt, Eure kindliche Naivität behalten. Und ich weiß nicht, ob ich Euch dafür bewundern oder bedauern soll.“
Vernita hatte Miandra erreicht und ging neben ihr in die Hocke. Sanft fasste sie die Frau an der Schulter und schüttelte sich ganz sachte. „Wacht auf, Miandra. Wir müssen langsam weiter.“


„Ihr kennt mich auch nicht, meine Liebe. Bis ich Miandra traf, hatte ich das alles vergessen.“ meinte er und stand auf. Er war nervös und ging auf und ab.
„Das Ganze ist vierzehn Jahre her. Irgendwann muss man mal nach vorne schauen. Alles vergessen, weitermachen. Aber, wenn ihr wollt, ihr alle vier, dann gehe ich. Denn so recht weiß ich auch nicht, warum ich jemanden, wie euch, helfe. Wirklich nicht…“ fügte er noch hinzu und ging zu seinem Pferd.
Er setzte sich schon einmal auf, und wartete auf die anderen.


„Manche Wunden kann die Zeit eben nicht heilen, Herr Elf“, entgegnete Vernita resigniert. „Seht mich an. Wir sind auf dem Weg nach Denerim, dem Ort an dem für mich ein Martyrium begann, dass mich nun schon mein Leben lang verfolgt. Jeden Tag, den wir diesem Ort näher kommen, kommen auch die Erinnerungen in mir hoch, die ich mit dieser Stadt verbinde. Und die sind alles andere als angenehm. Hätte ich eine Wahl, würde ich nicht dorthin reisen. Doch irgendwer will meinen Tod, und dieser jemand hält sich dort auf. Also reise ich nach Denerim, finde diesen jemand und töte ihn. So einfach ist das.“
Sie beobachtete Lian, wie dieser auf sein Pferd stieg.
„Nun, warum Ihr uns allerdings folgt, ist mir bisher wirklich noch nicht klar“, fuhr sie fort. „Und es steht Euch natürlich frei zu gehen, wenn Ihr das wollt. Aber es geht hier wohl um mehr als mein Leben oder das von Leanora. Selbst Miandras Tochter scheint nur ein kleiner Teil zu sein, von dem was hier in Ferelden momentan geschieht. Mir persönlich ist das egal. Ich interessiere mich nur für meinen eigenen Kram und aus persönlichen Gründen nun auch für das Schicksal von Miandras Tochter. Dieses Land kann von mir aus vor die Hunde gehen.“
Sie stand auf und ging auf Lian zu.
„Doch Ihr scheint mir jemand zu sein, dem das Schicksal von Unschuldigen nicht egal ist. Also, wenn Ihr nicht unseretwegen mitkommen wollt, dann vielleicht, um dieses Land vor einer großen Bedrohung zu schützen. Aber wie gesagt, dass müsst Ihr für Euch selbst entscheiden. Ich kann Euch diese Wahl nicht abnehmen.“


Leanora wurde sich das erste Mal bewusst, dass sie geschnitten wurde, gemieden wurde. Es gab ihr einen kleinen Stich im Herzen, sie war diese kühle Art nicht gewohnt. Zu Hause wurde sie respektiert, und die adligen Jünglinge überschlugen sich beinahe vor Charme und Höflichkeit, was ihr meistens aber auch gewaltig auf den Geist ging. Schleimer konnte sie noch nie leiden, Heuchler genauso wenig. Die Knechte und Mägde waren stets freundlich zu ihr, und sie selber war viel zu Harmonie bedürftig, um mit jemanden zu streiten. Die liebevolle Umgebung daheim tat ihr übriges, dass Leanora mit solch negativen Gefühlen nie in Berührung kam. Umso mehr schockierte es sie, dass nun gleich drei der Gefährten sie mit Eiseskälte, Spott oder Hohn behandelten. Nur der alte Magier verhielt sich ihr neutral gegenüber, aber den konnte wohl nichts aus der Ruhe bringen.
Merkten die anderen denn nicht, dass ihr die Entführung der Kinder auch an die Nieren ging? Dass sie diese dreckige Angelegenheit auch aufdecken wollte? Zum Wohle des Landes? Anscheinend wohl nicht, sie sahen in ihr nur die verwöhnte Adelstochter, was sie wohl auch war.
Gedankenverloren strich sie dem Schäferhund über den Kopf und sattelte Donas auf.
„Dann lasst uns mal einen neuen Tag überleben“ flüsterte sie leise den Tieren zu.


Miandra hatte seit längerem wieder einen erstaunlich tiefen und traumlosen Schlaf. Als Vernita sie weckte, war sie selbst darüber erstaunt. Sie hatte eher damit gerechnet, dass ihr die Erzählungen einen Albtraum bescheren würden… oder waren die Erzählungen nur ein Traum? Nein, sie hörte wie sich Vernita mit Lian unterhielt, und ihr wurde wieder bewusst, dass dies alles Realität war.
Sie setzte sich auf, nahm einen Schluck aus dem Wasserschlauch, und blickte sich kurz um. Der Wald war friedlich – abgesehen von den beiden Elfen die sich gerade unterhielten. Hennrik war auch bereits wach und zog wie immer in aller Ruhe an seiner Pfeife. Leanora streichelte mit einem etwas entsetzen Blick den Schäferhund, und sattelte das Pferd.
‚Jetzt fehlt nur noch ein Zwerg und sie könnten alle zusammen im Zirkus auftreten‘, dachte sie sich und musste schmunzeln. Ja, sie waren schon eine eigenartige Truppe.
Miandra nahm ihre Tasche, klopfte sich Blätter und Erde vom Umhang und begab sich zu den anderen, und wartete darauf, dass alle bereit waren aufzubrechen.


„Dann wollen wir mal aufbrechen“, verkündete Vernita und marschierte los. Die anderen folgten der Elfe nach und nach.
Die Gruppe bewegte sich weiter Richtung Denerim. Die nächsten Reisetage verliefen ereignislos. Die fünf Reisegefährten waren die meiste Zeit über schweigsam. Es gab nichts zu besprechen. Alles Weitere würde sich ergeben, wenn sie ihr Ziel erreichten.
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